10.08.2018

Laser schreiben Lotus-Strukturen

Flugzeugoberflächen lassen sich mit Interferenz-Methode schneller strukturieren.

Filigrane Gravuren auf Außen­flächen von Flugzeugen sollen sicher­stellen, dass die Luftströmung glatt bleibt und so den Luft­widerstand des Flugzeugs gering hält. Dafür haben Ingenieure am Fraun­hofer-Institut für Werkstoff- und Strahl­technik IWS, an der Technischen Univer­sität Dresden und bei Airbus ein Laser­verfahren entwickelt, das strukturierte Oberflächen mit hohem Durchsatz erzeugt, das die Oberflächen­kontamination erschwert. Das euro­päische Projekt „Laser4Fun“, an dem das Fraunhofer IWS und Airbus mitar­beiten, zielt auf spürbare Vorteile für Fluggesell­schaften und Passagiere ab: mit bloßem Auge kaum sichtbare Nano­strukturen auf ausge­wählten Tragflächen sollen Wasser, Insekten, Schmutz und generell uner­wünschte Verun­reinigungen abweisen.

Abb.: Alfredo Aguilar, Wissenschaftler im Team Oberflächenfunktionalisierung am Fraunhofer IWS, bedient das weltweit größte 3D-DLIP-System an der TU Dresden. (Bild: Fh.-IWS)

„Mit unserem Verfahren wollen wir jede Form der Verun­reinigung von Flugzeug­oberflächen vermeiden“, sagte Tim Kunze, der die Gruppe Oberflächen­funktiona­lisierung am IWS leitet. „Es wäre aber auch schon ein Erfolg, wenn wir es wenigstens hemmen können.“ Das könnte beispielsweise mit mikro- und nano­strukturierten Oberflächen geschehen. Der aktuelle Stand der Technik ist jedoch, dass die Struk­turierung mit anderen Tech­nologien kombiniert werden muss. Nicht so bei dem neuen Ansatz. So erzeugen neue DLIP-Optik­module – Direct Laser Interference Patterning – ein Interferenz­muster. Spezielle Optiken teilen einen Laserstrahl in mehrere Teil­strahlen auf, die später zum Strukturieren auf der Material­oberfläche zusammen­geführt werden.

Mit diesem Trick lassen sich sehr präzise und kontrol­lierbare Lichtmuster erzeugen. Wird das Interferenz­muster auf ein Titanblech fokussiert, schmilzt das hochener­getische Laserlicht und trägt das Material in den hellen Bereichen ab, während es das Material in den dunklen unbeeinflusst lässt. Dadurch erzeugen die Wissen­schaftler auf der Titan-Oberfläche winzig kleine Strukturen, die unterm Mikroskop betrachtet zum Beispiel Säulen­hallen oder Wellblech-Dächern ähneln. Die Abstände zwischen den Säulen lassen sich frei zwischen 150 Nanometer und 30 Mikro­meter einstellen. Das Ziel: Durch die Nano- und Mikro­strukturen auf dem Metall können sich Wasser­tropfen nicht mehr auf der Oberfläche breit­machen und anheften. Weil sie nicht genug Kontakt auf der Oberfläche finden, rollen oder rutschen sie ab. Dieser Effekt ist der Natur entlehnt und ist seit vielen Jahren als Lotus-Effekt bekannt.

Solche super­hydrophoben Oberflächen wurden auch schon mittels anderer Techno­logien erzeugt. Die meisten Lotus-ähnlichen Effekte auf Blechen, Brillen oder Bad-Armaturen werden heute noch durch spezielle Beschich­tungen erzeugt. Als Haupt­vorteil der Beschichtungs­methode galt bisher, dass sich effizient große Flächen damit behandeln ließen. Die Beschich­tungen altern jedoch mit der Zeit, können leicht beschädigt werden und entsprechen teilweise nicht den neuen EU-Umwelt­vorschriften. Die mit der DLIP-Methode herge­stellten Strukturen können jedoch durchaus über Jahre hinweg Bestand haben und werfen keine Umwelt­probleme auf.

Lotuseffekt-Nano­strukturen ließen sich zwar mit der Laser­technologie erzeugen, aber nur sehr langsam: Der Laser­strahl musste wie ein Bleistift jede Nut bzw. jede Säule nacheinander quasi zeichnen. Für eine große Trag­fläche zum Beispiel hätte das viel zu lange gedauert. Dank der Inter­ferenz-Techno­logie konnten die Entwickler das Bearbeitungs­tempo deutlich steigern: Je nachdem ob Titan, Polymere oder andere Werkstoffe zu struk­turieren sind, kommen die DLIP-Optiken auf fast einen Quadrat­meter pro Minute. „Das ist ein Weltrekord“, betont Andrés Lasagni, Professor für laser­basierte Methoden der groß­flächigen Oberflächen­strukturierung. „Zusammen mit unserem IWS-Kollegen haben wir das weltweit größte DLIP-System entwickelt, das heute an der TU Dresden aufgebaut ist. Das von der Exzellenz­initiative der Deutschen Forschungs­gesellschaft geförderte System, ermöglicht das Behandeln großer Flächen mit einem hohen Durchsatz. Darüber hinaus lassen sich die DLIP-Laserköpfe in handels­übliche Industrie­maschinen integrieren, sodass heute auch mittel­ständische Unter­nehmen auf diese Tech­nologie zugreifen können.“

Airbus-Ingenieure testen daher nun auf diese Weise nano­strukturierte Tragflächen auf einem Flugzeug in der Praxis. „Wir haben dafür eine Titan-Testfläche mit unserer Säulen­struktur versehen“, berichtet Tim Kunze. Nun muss die von DLIP hergestellte Beschichtung ihr Potenzial in der Praxis unter Beweis stellen. Elmar Bonaccurso, Material­wissenschaftler bei Airbus Central R&T, sagt: „Flugtests unter verschiedenen Betriebs­bedingungen und regel­mäßige Beschichtungs­inspektionen sind besonders nützlich, um die Haltbar­keit und Funk­tionalität solcher wasser- und schmutz­abweisenden Beschichtungen zu untersuchen, die sich im Labor bereits sehr gut bewährt haben.“

Derweil loten die Dresdner Inge­nieure schon weitere Anwendungen für ihre Lotus-ähnliche Nano­strukturen aus. Denn die können nicht nur wasser­abweisende Oberflächen erzeugen, sondern auch dafür sorgen, dass Wasser oder andere Flüssig­keiten ausgewählte Areale benetzen und so hydrophil oder lyophil werden. Auch schwer kopier­bare Sicherheits­siegel lassen sich erzeugen. So kann diese Techno­logie beispiels­weise zur Kennzeichnung fälschungs­sicherer Nummern­schilder oder zur Erhöhung der Biokompa­tibilität von Zahn­implantaten eingesetzt werden. „Richtig strukturierte Implantat­schrauben könnten vom Körper besser akzeptiert werden“, hofft Lasagni. „Und das würde weniger Kompli­kationen für den Patienten bedeuten.“

Fh.-IWS / JOL

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Anbieter des Monats

SmarAct GmbH

SmarAct GmbH

Mit der Entwicklung und Produktion von marktführenden Lösungen im Bereich hochpräziser Positioniertechnik, Automatisierungslösungen und Metrologie begleitet die SmarAct Group ihre Kunden zuverlässig bei der Realisierung ihrer Ziele.

Meist gelesen

Themen