Lebendige Stromleiter
Über Elektronentransport können Mikroorganismen im Meeresboden giftigen Schwefelwasserstoff abbauen.
Abb.: Bakterienkabel im Meeresboden (Bild: M. Dong, J. Song, N. Risgaard-Petersen)
Mikroorganismen im Meeresboden müssen in einer sauerstoffarmen Umgebung überleben. Doch mit einem lebenden, bakteriellen Stromkabel können sie ihren Stoffwechsel an die Umgebung anpassen und sogar giftigen Schwefelwasserstoff abbauen. In Sedimentproben entdeckten dänische Biologen diese leitfähigen Organismen, die von tieferen sauerstoffarmen Zonen bis in sauerstoffhaltige, obere Bereiche des Meeresbodens reichten. Ihre überraschende Analyse zeigt einen bisher unbekannten Prozess in diesemkomplexen Ökosystem.
Abb.: Probe mit den gut einen Zentimeter langen bakteriellen Stromkabeln (Bild: N. Risgaard-Petersen)
Nach Aussage der Forscher von der Universität Aarhus übernehmen die langen Bakterien-Filamente die Funktion eines Elektronentransporters. Bis zu 15 Millimeter tief in den Meeresboden reichen diese lebenden Stromleitungen. Sie bestehen aus Ketten langgestreckter Bakterien aus der Familie der Desulfobulbaceae. Jede einzelne ist gerade mal knapp einen Mikrometer lang. Die transportierten Elektronen werden bei einem Stoffwechselprozess der Mikroben im Meeresboden freigesetzt. Die Organismen wandeln dabei Sulfat-Verbindungen erst über eine Reduktion in giftigen Schwefelwasserstoff und danach in unschädlichen Schwefel um. Der dabei entstehende Elektronenüberschuss gelangt über das bakterielle Kabel in die obere, sauerstoffhaltige Sedimentschicht und dient dort der Reaktion von Sauerstoff zu Wasser.
Abb.: Sedimentprobe mit den stromleitenden Bakterien-Fäden (Bild: N. Risgaard-Petersen)
Im Labor untersuchten die Forscher die Bakterien und ihre Leitfähigkeit noch genauer. So zeigten die einzelnen Zellen eine gute Polarisierbarkeit und die Fähigkeit, elektrische Ladungen wie in einem Kondensator zu speichern. Die umhüllenden Membranen offenbarten unter dem Mikroskop eine Struktur mit zahlreichen Furchen. Durch diese führten winzige Kanäle, gefüllt mit einem gelartigen Periplasma, das den Elektronentransport erst ermöglichte. Die äußeren Membranen selbst konnten keinen Strom leiten.
Ohne direkten Zugang zu Sauerstoff können diese Organismen so indirekt Sauerstoff für ihren Stoffwechsel nutzen. Jedoch sei bisher unklar, ob sie allein handelten oder in Gemeinschaft mit anderen Mikroben, schreibt Gemma Reguera, Mikrobiologin an der Michigan State University in einem begleitendem Kommentar. So ist es nicht ausgeschlossen, dass im Meeresboden bisher unbekannte Symbiosen eingegangen werden können und auch anderen Mikroben einen indirekten Zugang zu Sauerstoff ermöglichen.
Jan Oliver Löfken
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