05.05.2015

Leptonen auf Zack

Hochenergetisches Plasma aus Elektronen und Positronen unter kontrollierten Bedingungen realisiert.

Ultrarelativistische Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma treten in verschiedenen astro­physikalischen Szenarien unter extremen Bedingungen auf, so z. B. in den Quellen von Gamma-Blitzen. Somit stellen sie ein einzigartiges Werkzeug zum Test von bisher unerforschten Gebieten der Physik dar und bieten zugleich tiefere Einblicke in die Eigenschaften des frühen Universums. Die Möglichkeit der Erzeugung dieses speziellen Materie­zustands erlaubt die genaue Untersuchung solcher Phänomene unter kontrollierten Bedingungen. Dieses Ziel hat nun ein Team von Experimental­physikern um Gianluca Sarri und Matthew Zepf von der Queen’s University Belfast in intensiver Zusammenarbeit mit Antonino Di Piazza und Christoph H. Keitel aus der Abteilung für Theoretische Quantendynamik des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg erreicht.

Abb.: Aufbau des Experiments mit Laser-Kielfeld-Beschleunigung (Bild: G. Sarri et al.)

Das Experiment wurde an der Astra Gemini Laser Facility des Rutherford Appleton Laboratory in Oxfordshire (UK) durchgeführt. Ein ultrarelativistischer Elektronenstrahl, erzeugt durch Beschleunigung im elektro­magnetischen „Fahrwasser“ eines hoch­intensiven optischen Laserpulses, trifft auf ein festes Bleitarget. Die eingeschossenen Elektronen wechselwirken in komplizierter Weise mit den Kernen und Elektronen der Bleiatome und erzeugen ein Paket aus ultra­relativistischen Elektronen und Positronen, das nach dem Austritt aus dem Target auf dessen Rückseite nachgewiesen werden kann. Dabei hängt der jeweilige Anteil von Elektronen und Positronen von der Dicke des Targets ab. Die Dichte des Plasmas erwies sich als ausreichend hoch, um kollektive Effekte zu zeigen. „Unsere Haupt­aufgabe war, die wesentlichen Mechanismen zur Produktion eines Elektron-Positron-Pakets zu identifizieren, dessen Bildung und Entwicklung innerhalb des Fest­körper­targets möglichst prägnant und einfach zu beschrieben und so die zugrundeliegende Physik zu ergründen“, sagt Antonino Di Piazza.

Heraus kam ein überraschend simples Modell, das – neben allen möglichen Wechselwirkungen innerhalb des Targets – nur zwei fundamentale Prozesse der Quantenelektrodynamik beinhaltet, die beide in Gegenwart der durch die Atomhülle abgeschirmten elektromagnetischen Felder der Targetkerne auftreten. Erstens Bremsstrahlung von Elektronen und Positronen und zweitens Elektron-Positron-Paar­erzeugung durch Photonen. Sowohl analytische als auch numerische Rechnungen stimmen sehr gut mit den experimentellen Resultaten für die relativen Anteile von Elektronen und Positronen in dem erzeugten Plasmastrahl überein.

Absolute Ausbeuten an Elektronen und Positronen werden durch das Modell ebenfalls gut vorhergesagt. Um noch mehr Details der experimentellen Befunde theoretisch zu reproduzieren, hat Gianluca Sarri den verfügbaren integrierten Monte-Carlo-Simulations­code für Teilchenphysik FLUKA angewendet. Dieser beinhaltet u. a. die Wechselwirkung der Elektronen und Positronen untereinander und mit den Targetatomen sowie Hoch­energie­prozesse wie die Erzeugung von Myon-Antimyon-Paaren. Diese Mechanismen reduzieren die Ausbeute gegenüber dem einfachen analytischen Modell um zirka ein Viertel.

MPIK / DE

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