01.07.2020

Licht aus dem Inneren des Tunnels

Bislang unbekannter Mechanismus für optische Nichtlinearität entdeckt.

Physiker vom Max-Born-Institut in Berlin und der Universität Rostock haben einen bislang unbekannten Mechanismus für optische Nicht­linearität aufgedeckt. Der Mechanismus entsteht durch das licht­induzierte Tunneln von Elektronen im Inneren von nicht­leitenden Stoffen. Für Strahlungs­intensitäten nahe der Zerstör­schwelle des Materials wird der beim Tunneln entstehende nichtlineare Strom zur dominanten Quelle heller Lichtblitze, die Harmonische niedriger Ordnung der einfallenden Strahlung sind. Diese Ergebnisse des Forscher­teams erweitern nicht nur das grundlegende Verständnis von optischer Nicht­linearität elektrisch nichtleitender Materialien, sondern auch das Potenzial für ihre Anwendung in der Informations­verarbeitung und optischer Material­verarbeitung erheblich.

Abb.: Ein starkes optisches Licht­feld (rot) erzeugt in amorphem Glas einen...
Abb.: Ein starkes optisches Licht­feld (rot) erzeugt in amorphem Glas einen Tunnel­strom, der zu intensiver Licht­emission (blau) führt. (Bild: B. Liewehr, U. Rostock)

Das heutige Verständnis von nicht­linearer Optik bei moderaten Licht­intensitäten basiert auf der Kerr-Nicht­linearität, die die nichtlineare Verschiebung fest gebundener Elektronen unter dem Einfluss eines einfallenden optischen Lichtfeldes beschreibt. Dieses Bild ändert sich dramatisch, wenn die Intensität dieses Lichtfeldes hoch genug ist, um die gebundenen Elektronen aus ihrem Grundzustand heraus­zuschleudern, was bei langen Wellen­längen des einfal­lenden Lichtfeldes mit dem Phänomen des Tunnelns beschrieben wird.

Dass die Elektronen, die am Ende des Tunnels entstanden sind, eine wichtige Quelle für optische Nicht­linearität darstellen, ist bereits seit den 1990er Jahren aus bahnbrechenden Arbeiten des kanadischen Wissen­schaftlers François Brunel bekannt. Dieser Tunnelprozess findet mit maximaler Wahrscheinlichkeit am Scheitelpunkt der Lichtwelle statt. Brunel hatte gezeigt, dass die Elektronen­bewegung nach dem Verlassen des Tunnels eine Quelle für eine intensive Lichtemission darstellt. Dieses Bild hat sich nun grundlegend geändert. „In dem neuen Experiment an Glas konnten wir zeigen, dass der mit dem quanten­mechanischen Tunnel­prozess verbundene Strom selbst eine optische Nicht­linearität erzeugt, die den tradi­tionellen Brunel-Mechanismus deutlich übertrifft“, erklärt Alexandre Mermillod-Blondin vom Max-Born-Institut für nicht­lineare Optik und Kurzzeit­spektroskopie, der das Experiment leitete. Bei dem Experiment wurden zwei ultrakurze Lichtpulse mit unter­schiedlichen Wellen­längen und leicht unter­schiedlichen Ausbreitungs­richtungen auf eine dünne Platte aus Glas fokussiert und eine zeit- und frequenz­aufgelöste Analyse der entstehenden Lichtemission durchgeführt.

Der Gruppe um Thomas Fennel, der an der Universität Rostock und am Max-Born-Institut arbeitet, gelang es dann den für die Emission verant­wortlichen Mechanismus zu identifizieren. „Umfangreiche Simu­lationen und die Analyse der gemessenen und vorher­gesagten Signale mit Hilfe einer Kennzahl, die wir als effektive Nicht­linearität bezeichnen, waren der Schlüssel dazu. Damit wurde es möglich, den neuen Ionisations­strom­mechanismus von anderen möglichen Mechanismen zu unterscheiden und seine Dominanz zu demonstrieren“, erklärt Fennel. Der nun entdeckte Mechanismus sowie die neue Metrologie zur Charak­terisierung optischer Nicht­linearität könnten es Forschern in zukünftigen Studien ermöglichen, lichtgetriebene Ionisation und Lawinen­bildung in dielek­trischen Materialien mit bisher unerreichter Auflösung zeitlich aufzulösen und zu steuern – letztlich möglicher­weise sogar auf der Zeitskala eines einzigen Lichtzyklus.

FVB / JOL

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