16.10.2014

Lichtjahre zu Zentimetern

Astrophysikalische Jets im Labor mit starken Laser und Magnetpulsen nachgebildet.

Astrophysikalische Jets gehören zu den spektakulärsten Phänomenen des Universums: Aus dem Zentrum von Schwarzen Löchern, Quasaren oder Protosternen schießen diese Materie-Strahlen mitunter viele Lichtjahre weit ins All. Ein neues Modell, das erklärt, wie Magnetfelder solche Ausstöße in jungen Sternen formen, hat ein internationales Forscherteam nun erstmals erfolgreich im Labor getestet. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) waren an der Untersuchung beteiligt, deren Resultate in Zukunft sogar bei der Krebstherapie mit Protonenstrahlen weiterhelfen könnten.

Abb.: Bei der Geburt eines Sterns stößt das Zentrum der Gaswolke, die ein massereicher Baby-Stern noch um sich hat, vertikale, helle Jets aus. (Bild: ESO / L. Calçada)

Wann immer ein Objekt im Weltall um sich herum eine rotierende Scheibe aus Materie bildet, stehen die Chancen gut, einen Jet zu beobachten. Dabei handelt es sich um einen dünnen, geradlinigen Ausstoß von Materie, der sich vom Zentrum der Scheibe ausbreitet und dem Gebilde insgesamt die Form eines Kreisels gibt. Insbesondere bei der Entstehung von Sternen kann man derartige Strukturen beobachten, doch bislang ist nicht geklärt, wie genau sich die dünnen Strahlen inmitten der Scheibe formen.

Zusammen mit Kollegen aus Europa, Amerika und Asien haben HZDR-Forscher den Prozess im Labor nachgestellt: Eine Probe aus Kunststoff wurde hierzu am Labor für die Anwendung intensiver Laserstrahlen (Laboratoire pour l'Utilisation des Lasers Intenses) in Frankreich mit einem Laser beschossen. Dadurch gerieten die Elektronen im Inneren des Targets in Bewegung und das zuvor feste Kunststoff-Objekt verwandelte sich zum leitfähigen Plasma. „In kleinem Maßstab repräsentiert das Plasma die Materieansammlung eines jungen Sterns“, erläutert Thomas Cowan, Direktor des Instituts für Strahlenphysik am HZDR.

Zugleich – und das war ein entscheidender Kniff des Experiments – wurde das Plasma einem sehr starken, gepulsten Magnetfeld ausgesetzt. Die Hypothese der Physiker: Unter Einfluss des Magnetfelds fokussiert sich das normalerweise breit gestreute Plasma und bildet eine Aushöhlung im Inneren. Dies führt schließlich zu einer Stoßwelle, aus der ein sehr dünner Strahl hervorgeht – ein Jet.

Das Experiment wurde so konstruiert, dass es auf die real im Universum anzutreffenden Bedingungen hochgerechnet werden kann: In nur zwanzig Nanosekunden bildet das Labor-Plasma Strukturen aus, wie der Jet eines jungen Sterns in rund sechs Jahren. Auf diese Weise konnte das Modell mit den astronomischen Beobachtungen überprüft werden, die seit einigen Jahren durch Weltraumteleskope möglich sind. Dabei zeigte sich eine sehr genaue Übereinstimmung der Daten. So kommt es beispielsweise in einem Jet dazu, dass sich Teilchenströme überkreuzen, was zu einer zusätzlichen Erhitzung an solchen Punkten führt. „Röntgenmessungen von echten Jets zeigen an den gleichen Stellen Auffälligkeiten wie unser maßstabsgetreues Plasma-Modell im Labor“, verdeutlicht Cowan.

Damit konnten die Forscher erstmals ein Modell vorlegen, das die Entstehung von Jets allein durch Magnetfelder erklären kann. In vorherigen Ansätzen musste stets auch die Rotation der Materie um den jungen Stern als weiterer Einflussfaktor einbezogen werden.

Die Erkenntnis, dass sich ein Plasma derart fokussieren lässt, könnte zudem auch einen praktischen Nutzen für die Medizin haben. So sei es laut Cowan denkbar, dass mit Hilfe von gepulsten Magnetfeldern ein besonders dünner Protonenstrahl für die Strahlentherapie erzeugt werden könnte. Florian Kroll, HZDR-Doktorand und Co-Autor der Studie, erforscht genau dieses Thema.

Um überhaupt starke gepulste Magnetfelder für das Experiment produzieren zu können, hat man auf die Erfahrung des Hochfeld-Magnetlabors Dresden am HZDR zurückgegriffen: „Wir haben einen speziellen Pulsgenerator entwickelt, der es den Kollegen in Frankreich ermöglichte, in engen Laborräumlichkeiten so starke Felder zu produzieren“, sagt Thomas Herrmannsdörfer, Abteilungsleiter am Hochfeld-Magnetlabor. Gerade mal so groß wie ein Kleiderschrank ist der Generator, der Ströme bis zu 300 Kiloampere produzieren kann.

Die Konstruktion einer so kompakten Anlage war laut Herrmannsdörfer vor allem eine technische Herausforderung: „Unsere Elektroingenieure fanden hier recht innovative Lösungen. Das hilft uns nun auch bei der Entwicklung von Generatoren für industrielle und medizintechnische Anwendungen weiter.“ Der Pulsgenerator befindet sich derzeit noch immer im französischen Laserlabor in Palaiseau bei Paris, denn schon ab Dezember wollen die Dresdner Wissenschaftler wieder mit den Kollegen am LULI zusammenarbeiten.

HZDR / DE

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