08.01.2019

Lichtkristall im Ungleichgewicht

Neue Methode vereinfacht Identifizierung topologischer Quantenzustände.

Aus den Gesetzen der Quantenphysik ergibt sich, dass sich Elektronen wellen­artig verteilen. Diese Wellen können in manchen Materialien eine geometrisch recht komplizierte Form annehmen. In topologischen Materialien gibt es Elektronen-Zustände, die für technische Anwendungen sehr interessant sein können, allerdings ist es aus­gesprochen schwierig, diese Materialien und die dazu­gehörigen Elektronen­zustände zu identifizieren.

Abb.: Die Spin-Struktur der Atome im Licht­kristall lässt sich zwischen...
Abb.: Die Spin-Struktur der Atome im Licht­kristall lässt sich zwischen einfach und kompliziert hin und her schalten. (Bild: TU Wien)

Von der TU Wien und mehreren Forschungs­gruppen aus China wurde dazu nun eine neue Idee entwickelt und im Experiment umgesetzt. Eine Art „Kristall aus Licht­wellen“ wird erzeugt, um Atome genau im richtigen geometrischen Muster fest­zuhalten. Diese Licht­kristalle, die auch bisher schon in unter­schiedlicher Form für die Manipulation von Atomen verwendet wurden, kann man nun verwenden, um das System gezielt aus dem Gleich­gewicht zu bringen: Man schaltet zwischen einfachen und komplizierten Zuständen hin und her, und das System verrät dabei, ob es topologisch interessante Zustände hat oder nicht.

Die Bedeutung der Topologie erkennt man leicht, wenn man etwa einen Donut mit einem Kuchen­stück vergleicht. „Mit Quanten­zuständen ist es so ähnlich“, erklärt Jörg Schmied­mayer vom Atom­institut der TU Wien. „Quanten­zustände können eine nicht­triviale Topologie haben, die gegen­über Störungen sehr stabil ist, auch wenn sich bestimmte Details ändern. Das macht sie technisch so interessant – denn mit Störungen hat man in jedem Experiment und in jedem technischen Gerät immer zu kämpfen.“ Im Jahr 2016 wurde der Physik-Nobel­preis für Forschung an topologischen Material­eigenschaften vergeben, doch immer noch gilt es als äußerst schwierig, bei einem bestimmten Material über­haupt fest­zustellen, ob es topologisch interessante Zustände zulässt oder nicht.

„Wir beschäftigen uns mit Quanten­zuständen, die sich nicht im Gleich­gewicht befinden, die also gerade dabei sind, sich rasch zu verändern“, sagt Schmied­mayer. „Das ist meist schwierig, aber wie wir zeigen konnten, kann man auf diese Weise oft hoch­interessante Informationen bekommen.“ Diese Erkenntnisse aus Wien brachte Schmied­mayer nun in eine Kooperation mit Forschungs­teams aus China in ein gemeinsames Projekt ein. „Geleitet wurde das Experiment von Shuai Chen, in der Forschungs­gruppe von Jian-Wei Pan. Beide waren einst mein Mit­arbeiter in Heidel­berg, und seit ihrer Rückkehr nach China arbeiten wir eng zusammen“, berichtet Schmied­mayer.

Mit Hilfe von Lichtwellen können Atome an bestimmten Stellen fest­gehalten werden, sodass ein regel­mäßiges Gitter aus Atomen entsteht, ähnlich wie in einem Kristall. Indem man das Licht verändert, kann man auch die Geometrie der Atom-Anordnung um­schalten, und dabei unter­suchen, wie sich die Elektronen-Zustände ändern.

„Bei dieser Veränderung wird schlagartig ein massives Ungleich­gewicht erzeugt“, sagt Jörg Schmiedmayer. „Die Quanten­zustände müssen sich neu anordnen und ein neues Gleich­gewicht anstreben, ähnlich wie Kugeln, die man von einem Hügel nach unten rollen lässt, bis sie im Tal einen Gleich­gewichts­zustand finden. Und wir konnten nun klare Signaturen finden, durch die uns das System genau während dieses Ungleich­gewichts­prozesses verrät, ob topologisch interessante Zustände zu finden sind oder nicht.“

Für die Forschung an topologischen Materialien ist das eine wichtige neue Erkenntnis. Man könnte sogar die künstlichen Licht­kristalle anpassen, um bestimmte Kristall­strukturen zu simulieren und dadurch neue topologische Materialien zu finden.

TU Wien / DE

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