28.02.2017

Lichtpakete im Kreisverkehr

Messverfahren für die Berry-Krümmung in optischen Systemen ent­wickelt.

Es ist ein Konzept, das sich sowohl bei Waldspaziergängen als auch in Laby­rinthen bewährt: Wenn man an jeder Abzwei­gung immer in die gleiche Richtung abbiegt, gelangt man – über kurz oder lang – wieder an den Aus­gangs­punkt zurück. „Physi­ka­lisch betrach­tet, voll­zieht der Spazier­gänger oder der Besucher des Laby­rinths einen Kreis­prozess“, erläu­tert Ulf Peschel von der Uni Jena. Lange ging die Wissen­schaft davon aus, dass ein System, das einen solchen geschlos­senen Zyklus durch­läuft, wieder voll­ständig in seinen Aus­gangs­zu­stand zurück­kehrt. Doch anders als im Falle des Spazier­gängers, so erläu­tert Peschel, stimmt das für physi­ka­lische Systeme nicht immer: „Heute wissen wir, dass bei Kreis- oder Pendel­bewe­gungen eine geome­trische Phase akku­mu­liert werden kann, ein Effekt, der vor allem in der Quanten­mechanik wichtig ist.“

Abb.: Doktorand Martin Wimmer von der Uni Jena kon­trol­liert mit einem Faser­mikro­skop die Quali­tät von Faser­steck­ver­bin­dungen im da­hinter zu sehen­den Ver­suchs­auf­bau. Dieser besteht aus zwei etwa einen Kilo­meter langen Glas­faser­ringen und der zur Ver­mes­sung der Puls­aus­brei­tung nöti­gen elek­tro­nischen Mess­technik. (Bild: A. Günther, U. Jena).

Diese nach ihrem Entdecker Michael Berry auch Berry-Phase genannte Größe beschreibt eine Phasen­ver­schie­bung der Wellen­funktion des Systems und kann beispiels­weise die Ursache von Inter­ferenz­phäno­menen sein. Aber auch der Elek­tronen­trans­port in Halb­leiter­filmen und Graphen wird durch eine etwas abstrak­tere System­größe – die Berry-Krümmung – stark beein­flusst. Obwohl geome­trische Phasen in vielen physi­ka­lischen Pro­zessen eine große Rolle spielen, konnte die Berry-Krümmung bisher nur in wenigen Fällen gezielt charak­teri­siert werden. Einem Forscher­team der Univer­sitäten Jena, Er­langen und Trient ist es jetzt jedoch gelun­gen, ein Mess­ver­fahren zur Bestim­mung der Berry-Krümmung in optischen Systemen zu ent­wickeln.

Für ihre Untersuchungen haben die Forscher Lichtpakete immer wieder durch zwei gekop­pelte Glas­faser­schleifen geschickt. Die eine Schleife war exakt tausend Meter lang, die andere sieben Meter länger. „Nach zwei­hundert Um­läufen haben wir die Ankunfts­zeit der Licht­pulse gemessen“, so Team-Mit­glied Martin Wimmer. Wurde zusätz­lich der Brechungs­index in den Schleifen zyklisch ein klein wenig modu­liert und damit eine Berry-Krümmung im Gesamt­system indu­ziert, stellten die Forscher über­rascht fest, dass Licht­pulse mal die kürzere oder mal die längere Schleife bevor­zugten und des­halb nicht zur eigent­lich erwarteten Zeit, sondern etwas früher oder später ein­trafen. Die präzise Ver­mes­sung der Ankunfts­zeiten der Licht­pulse erlaubte so die erst­malige Ver­mes­sung der Berry-Krümmung in einem optischen System.

Da das Experiment einem Telekommunikationsnetzwerk sehr ähnlich ist, fragen sich die Forscher der Uni Jena nun, ob auch dort solche Effekte eine Rolle spielen. „Immer­hin werden Daten heute fast aus­schließ­lich als optische Pulse durch Glas­fasern über­tragen, wobei die wesent­liche Infor­ma­tion in der Ankunfts­zeit der Pulse kodiert ist“, so Peschel. „Wir fragen uns, was passiert, wenn statt der, wie von uns bisher ver­wen­deten schwachen Pulse, Wellen­pakete mit sehr hohen Spitzen­leis­tungen propa­gieren. Außer­dem spielen in der Tele­kommu­ni­kation Ver­luste und Ver­stär­kung eine große Rolle, Effekte, die wir nun im Zusam­men­hang mit der Berry-Krümmung experi­men­tell unter­suchen wollen.“

FSU / RK

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