22.05.2015

Links herum oder rechts herum oder beides

Kontrolle der Zeitsymmetrie kann schwache Lokalisierung atomarer Wellen an- und wieder abschalten.

Die schwache Lokalisierung ist ein Quanteneffekt, bei dem sich Quantenteilchen entlang verschiedener Pfade überlagern können. Französische Physiker haben nun ein Experiment realisiert, bei dem sie mittels Kontrolle der Zeitsymmetrie des Ablaufs diese Lokalisierung an- und wieder abschalten konnten.

Die schwache Lokalisierung kann unterschiedliche Effekte bewirken. Bei der Propagation von Elektronen in einem Festkörper etwa führt sie zu einem Anstieg des elektrischen Widerstands. Ein Elektron bewegt sich in einem Leiter nicht auf einer geraden Linie, sondern wird hin und wieder an Unreinheiten im Atomgitter gestreut. Quantenmechanisch betrachtet ergibt sich aber die Bewegung der Elektronen nicht als wohldefinierter Weg, sondern als Überlagerung aus vielen unterschiedlichen Pfaden. Dabei sind auch Kreispfade möglich, bei denen ein Elektron wieder an seinem Ausgangspunkt ankommt.

Abb.: Ohne Magnetpuls ist ein deutliches Rückstreusignal durch schwache Lokalisierung zu sehen (rechts). Mit kurzem Puls verschwindet dieses zunächst, taucht dann aber wieder auf (links; Bild: K. Müller et al. / APS)

Bei der schwachen Lokalisierung tauchen nun Überlagerungszustände auf, bei denen ein Elektron zugleich im und gegen den Uhrzeigersinn im Kreis läuft. Da diese Wege gleich lang sind, kürzt sich die quantenmechanische Phase heraus und die Interferenzterme behalten auch nach dem Herausmitteln über die Unreinheiten einen endlichen Wert. Diese Form der Lokalisierung führt also zu einem höheren makroskopischen Widerstand, als man ihn klassisch erwarten würde. Das betrifft vor allem niedrig-dimensionale Systeme in einer oder zwei Dimensionen, da hier sehr viel leichter Pfade auftreten, die sich selbst kreuzen.

Da die schwache Lokalisierung von der Phasengleichheit der verschiedenen Pfade abhängt, reagiert sie sehr sensibel auf jegliche Störung der Zeitsymmetrie bei der Wellenausbreitung. Bei Elektronen ist sie zum Beispiel bei starker Spin-Bahn-Kopplung oder magnetischen Unreinheiten bzw. hinreichend starken Wechselfeldern deutlich unterdrückt.

Die schwache Lokalisierung betrifft aber nicht nur Elektronen in Festkörpern, sondern ist ein allgemeines quantenphysikalisches Prinzip. In der Atom- und Molekülphysik sowie in der Optik können solche Interferenzen zu kohärenter Rückstreuung führen. Wenn eine ebene Welle also auf ein ungeordnetes Medium trifft, erhöht sich durch diesen Effekt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Welle zurückgeworfen wird.

Um diese Effekte sichtbar zu machen, nutzten Vincent Josse und seine Kollegen von der Université Paris Sud quasi-zweidimensionale, ebene Atomwellen aus nicht miteinander wechselwirkenden Atomen, die sie durch ein ungeordnetes optisches Potenzial laufen ließen. Hierzu präparierten sie eine Wolke von rund 100.000 ultrakalten Rubidium-87-Atomen in einer Falle. Um der Erdanziehung entgegenzuwirken, brachten sie die Atome in einen speziellen paramagnetischen Zeeman-Hyperfein-Zustand und glichen die Gravitation mit einem Magnetfeld aus.

Dann beschleunigten sie die Rubidium-Atome entlang der z-Achse mit einer mittleren Geschwindigkeit von rund drei Millimetern pro Sekunde in Richtung eines anisotropen Speckle-Felds. Dieses Feld erzeugten die Wissenschaftler mit Hilfe eines fern der Resonanz betriebenen Lasers. Das Ergebnis ihres Experimentes analysierten die Forscher dann mit Hilfe von Fluoreszenzabbildungen.

Wie theoretisch erwartet, zeigte sich ein deutlicher Peak, der durch die kohärente Rückstreuung bei der schwachen Lokalisierung zustande gekommen war. Um diesen Effekt von möglichen klassischen Streuungen abgrenzen zu können, versetzen die Forscher der Atomwolke dann jeweils einen kurzen magnetischen Stoß – kurz genug, um als instantan gelten zu können, und stark genug, um die Phasen der gegenläufigen Teilchentrajektorien durcheinander zu bringen.

Dieser Magnetpuls schaltete die schwache Lokalisierung zunächst praktisch ab, denn nun konnte keine quantenmechanische Überlagerung mehr stattfinden. Es gibt jedoch einen besonderen Fall, falls der Puls exakt bei der Hälfte der gegenläufigen Teilchentrajektorien eintritt: Dann erfahren sowohl die links wie die rechts herum laufenden Quanten dieselbe Störung, sodass der Effekt sich aufhebt. Für diese Trajektorien tritt also weiterhin schwache Lokalisierung auf. Wenn der Puls also nach der Zeit t eintritt, kommt es zur Zeit 2·t zu einem Wiederaufleben der schwachen Lokalisierung. Auch dies konnten die Forscher mit unterschiedlichen Zeitparametern deutlich nachweisen.

Mit dieser neuen Methode lässt sich nicht nur die schwache Lokalisierung atomarer Wellenfronten erforschen und dieser Effekt von anderen, klassischen Rückstreu- oder Echoeffekten abgrenzen. Mit Hilfe mehrfacher Kicks entlang der Teilchentrajektorien könnte man auch die starke Anderson-Lokalisierung erforschen, die noch weitergehende Auswirkungen höherer Ordnung auf die Propagation von Quantenteilchen besitzt.

Dirk Eidemüller

OD

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