Lithium, das Problemelement
Messungen bestätigen Theorie zur primordialen Nukleosynthese – Diskrepanz zu Beobachtungen an alten Sternen bleibt bestehen.
Die Astrophysik hat ein hartnäckiges Problem und das heißt Lithium: Das Element kommt nicht in den Mengen in Sternen vor, die rechnerisch für die Lithium-Entstehung nach dem Big Bang vorhergesagt werden. Doch die Berechnungen stimmen – das konnte jetzt erstmals auch experimentell im Untertagelabor im italienischen Gran-Sasso-Bergmassiv bestätigt werden. Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) untersuchten dort in einem internationalen Team, wieviel Lithium unter Urknall-Bedingungen entsteht.
Abb.: Michael Anders neben dem LUNA-Teilchenbeschleuniger (Bild: M. Anders, M. Anders)
Lithium ist neben Wasserstoff und Helium eines der drei Elemente, die nicht erst innerhalb von Sternen erzeugt werden. Stattdessen sind sie schon früh durch in der „primordialen Nukleosynthese“ entstanden. Im nur wenige Minuten alten Universum haben sich Neutronen und Protonen zu den Kernen der ersten drei Elemente verbunden. Am Laboratory for Underground Nuclear Astrophysics (LUNA) stellte nun ein internationales Forscherteam die Kernentstehung von Lithium nach. Eine führende Rolle im Team nahm Michael Anders ein, der im vergangenen Jahr an der TU Dresden und am HZDR zu dem Thema promoviert hat. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts betreute ihn dabei Daniel Bemmerer, Gruppenleiter am HZDR.
In dem italienischen Untertagelabor feuerten die Wissenschaftler Heliumkerne auf Deuterium, um Energien wie kurz nach dem Urknall zu erreichen. So wollten sie messen, wieviel Lithium unter Bedingungen entsteht, die denen im Frühstadium des Universums ähneln. Das Ergebnis des Experiments: Die Daten bestätigten die theoretischen Vorhersagen, die mit den beobachteten Lithium-Konzentrationen im Universum nicht vereinbar sind.
„Zum ersten Mal überhaupt konnte mit unserem Experiment die Lithium-6-Produktion in einem Teil des Urknall-Energiebereichs untersucht werden“, erklärt Daniel Bemmerer. Das aus je drei Neutronen und Protonen bestehende Lithium-6 ist eines der beiden stabilen Isotope des Elements. Die Entstehung von Lithium-7, welches über ein zusätzliches Neutron verfügt, untersuchte Bemmerer bereits 2006 am LUNA.
Mit den neuen Ergebnissen bleibt das Lithium-Problem somit eine harte Nuss: Einerseits sprechen nun alle Labor-Ergebnisse der Astrophysiker dafür, dass die Theorie der primordialen Nukleosynthese korrekt ist. Andererseits zeigen viele Beobachtungen von Astronomen, dass die ältesten Sterne in unserer Milchstraße nur halb so viel Lithium-7 enthalten wie vorhergesagt. Aufsehen erregende Berichte von schwedischen Forschern, die in solchen Sternen außerdem deutlich mehr Lithium-6 entdeckten als vorhergesagt, müssen wohl auch aufgrund der neuen LUNA-Daten noch einmal überprüft werden. Bemmerer: „Sollten in Zukunft wieder ungewöhnliche Lithium-Konzentrationen beobachtet werden, wissen wir dank der neuen Messung, dass die Erklärung nicht in der Urknall-Nukleosynthese liegen kann.“
Wichtig für die Untersuchungen war auch die besondere Lage von LUNA: Im Bergmassiv Gran Sasso d’Italia halten 1.400 Meter Felsgestein störende kosmische Strahlung fern. Zusätzlich ist das Labor in eine Bleihülle gekleidet. Nur durch eine solch gute Abschirmung können die seltenen Wechselwirkungen zwischen den Kernen präzise erfasst werden. Schon im nächsten Jahr soll aber auch in Dresden ähnliche Forschung möglich sein. Dann wollen die Technische Universität Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf das Beschleunigerlabor „Felsenkeller“ in Betrieb nehmen. In dem ehemaligen Brauerei-Keller schirmen zwar nur 45 Meter Fels die natürliche Strahlung ab, dies reiche laut Bemmerer vom HZDR für viele Messungen aber bereits aus. Zudem habe das neue Labor einen mehr als zwölfmal so starken Teilchenbeschleuniger zu bieten: „Dort können wir dann unsere Experimente erweitern und die Entstehung der Elemente in höheren Energiebereichen erforschen.“
HZDR / DE