23.01.2019

Lüftung des Schleiers um das zentrale schwarze Loch

Radiostrahlung von Sagittarius A* kommt aus wesent­lich kleinerem Bereich als bisher an­ge­nommen.

Bislang hat ein diffuser Nebel aus heißem Gas Astronomen daran gehindert, scharfe Bilder des super­masse­reichen schwarzen Lochs Sagit­tarius A*im Zentrum unserer Milch­straße zu erhalten. Doch jetzt war es zum ersten Mal möglich, das sehr leistungs­fähige ALMA-Radio­teleskop im Norden von Chile in ein welt­weites Netz von Radio­tele­skopen ein­zu­binden, um damit diesen Nebel zu durch­dringen. Die Quelle sorgt auch weiter­hin für Über­raschungen: Die gesamte Strahlung kommt aus einem besonders kleinem Gebiet – möglicher­weise ein Indiz für einen Jet, der direkt in Richtung der Erde zeigt.

Abb.: Oben links: Simulation der Radio­quelle Sgr A* bei einer Frequenz von 86...
Abb.: Oben links: Simulation der Radio­quelle Sgr A* bei einer Frequenz von 86 GHz. Oben rechts: Simula­tion mit hinzu­ge­fügten Streu­effekten. Unten rechts: Gestreutes Bild der Radio­beob­ach­tungen; das ist das tat­säch­lich am Himmel gemessene VLBI-Radio­bild bei dieser Frequenz. Unten links: Das Ergebnis der Messungen nach Korrektur für die Aus­wirkung der Streu­effekte in der Sicht­linie zwischen Erde und Zentrum der Milch­straße. Das ist das tat­säch­liche Erschei­nungs­bild von Sgr A* bei 86 GHz. (Bild: S. Issaoun & M. Mości­brodzka, Radboud U. / M. D. Johnson, CfA)

Die Beobachtungen erfolgten bei der hohen Frequenz von 86 GHz mit der Technik der Very Long Base­line Inter­fero­metry. Damit wurde es möglich, die genaue Aus­wirkung der Streu­effekte zu kartieren, die unseren Blick auf die eigent­liche Zentral­region unserer Milch­straße trüben. Durch die Korrektur der meisten dieser Streu­effekte konnten die Forscher ein erstes Bild der unmittel­baren Um­gebung des schwarzen Lochs erhalten.

Die hohe Qualität des so korrigierten Radiobilds liefert dem Team ver­besserte Werte zur Präzi­sie­rung von theore­tischen Modellen, die die Eigen­schaften des Gases in der direkten Um­gebung von Sgr A* beschreiben. Der über­wiegende Anteil der Radio­strahlung der Zentral­quelle kommt aus einem Bereich mit einer Aus­dehnung von nur einem drei­hundert­million­sten Teil eines Winkel­grads und zeigt eine symme­trische kompakte Struktur. „Das deutet darauf hin, dass die Radio­strahlung eher von einer Scheibe mit ein­fallen­dem Gas her­rührt als von einem Radio­jet“, erklärt Sara Issaoun von der Radboud-Univer­sität in den Nieder­landen, die die Daten anhand einer ganzen Reihe von Computer­modellen über­prüft hat. „Das würde aller­dings Sgr A* zu einer Aus­nahme gegen­über allen anderen schwarzen Löchern machen, von denen wir Radio­strahlung empfangen. Eine Alter­native wäre, dass der Jet fast direkt auf uns zeigt.“

Heino Falcke von der Radboud-Universität hält diese Alter­native zwar für unge­wöhn­lich, schließt sie aber keines­wegs mehr aus. Noch im letzten Jahr hätte er es als künst­lich konstru­iertes Modell ange­sehen, aber kürz­lich kam das GRAVITY-Team durch Beob­ach­tungen mit dem Very Large Tele­scope Inter­fero­meter der ESO mit ganz anderer Beob­ach­tungs­technik zu ganz ähn­lichen Schlüssen. „Es könnte also sehr wohl richtig sein“, schließt Falcke, „und das bedeutet, dass wir das Biest unter einem beson­deren Blick­winkel sehen.“

Supermassereiche schwarze Löcher kommen in den Zentren von Galaxien sehr häufig vor und erzeugen die energie­reich­sten Phäno­mene im bekannten Uni­versum. Es wird ange­nommen, dass sich Materie im direkten Umfeld des schwarzen Lochs in einer Akkre­tions­scheibe ansammelt. Ein Teil dieser Materie wiederum wird senk­recht dazu in Form von zwei ent­gegen­gesetzt gerich­teten stark gebün­delten Jets mit fast Licht­g­eschwin­dig­keit aus­ge­stoßen. Dadurch wird typischer­weise eine große Menge von Radio­strahlung erzeugt. „Ob nun die Radio­strahlung, die wir von Sgr A* empfangen, von einer teil­weise auf­ge­lösten Punkt­quelle kommt, oder ob die Radio­quelle doch mehr asymme­trisch ist, ist aktuell Gegen­stand inten­siver Diskus­sionen“, erklärt Thomas Krich­baum vom MPI für Radio­astro­nomie, eben­falls Mitglied des Forscher­teams.

Sgr A* ist das nächstgelegene supermassereiche schwarze Loch mit etwa vier Milli­onen Sonnen­massen. Seine schein­bare Aus­deh­nung am Himmel beträgt weniger als ein hundert Million­stel Winkel­grad. Um derart kleine Struk­turen zu erfassen, ist die Beob­ach­tungs­technik der Inter­fero­metrie mit langen Basis­linien erforder­lich. Die erreichte Winkel­auf­lösung wird noch­mals durch die Erhöhung der Frequenz ver­bessert. Im Moment liegt die höchste Frequenz, bei der VLBI-Beob­ach­tungen über­haupt durch­ge­führt werden können, bei 230 GHz.

Die Ergebnisse des internationalen Teams um Issaoun beschreiben die ersten VLBI-Beob­ach­tungen bei 86 GHz unter Teil­nahme des ALMA-Tele­skops, des bei weitem empfind­lich­sten Radio­tele­skops bei dieser Wellen­länge. Die Betei­li­gung von ALMA an Milli­meter-VLBI-Beob­ach­tungen ist gleich aus zwei Gründen wichtig: wegen der Empfind­lich­keit des Tele­skops und wegen seiner Lage auf der Süd­halb­kugel der Erde. Neben ALMA sind zwölf weitere Radio­tele­skope an dem Projekt beteiligt, die alle auf der Nord­halb­kugel der Erde liegen. Unter Einbe­zie­hung von ALMA konnte die Winkel­auf­lösung im Ver­gleich so zu vor­herigen Messungen bei dieser Frequenz ver­doppelt werden. Das ermög­lichte eine ver­besserte und schärfere Kartie­rung von Sgr A* mit deut­lich redu­ziertem Ein­fluss inter­stellarer Streuung.

Um ein Bild zu erhalten, das für die Auswirkung der inter­stellaren Streuung korri­giert ist, nutzte das Team eine von Michael Johnson vom Harvard-Smith­sonian Center for Astro­physics in den USA ent­wickelte Technik. „Obwohl die Streuung das Radio­bild von Sgr A* trübt und ver­zerrt, können wir mit Hilfe der fantas­tischen Winkel­auf­lösung der Beob­ach­tungen die genauen Eigen­schaften der Streuung ableiten“, sagt Johnson. „So wird es möglich, den Ein­fluss der Streuung zu korri­gieren und damit zu sehen, wie es in der Nähe des schwarzen Lochs tat­säch­lich aus­schaut. Wir wissen damit auch, dass die inter­stellare Streuung kein Hindernis für das Event-Horizon-Tele­skop dar­stellen wird, womit wir den erwar­teten Schatten des schwarzen Lochs bei 230 GHz zu erfassen gedenken, wenn es diesen Schatten denn gibt. Das ist eine tolle Neuig­keit.“

MPIfR / RK

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