09.02.2021

Luftblasen lehren Schwimmen

Schwimmende Mikroorganismen können von aufsteigenden Luftblasen profitieren.

Ingenieure haben in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Anstren­gungen unternommen, um die Energie­effizienz von Flugzeugen, Autos oder Schiffen zu verbessern. Ein ähnlicher Prozess fand in der Biologie statt, wo sich schwimmende Mikro­organismen über Hunderte von Millionen von Jahren auf effiziente Fortbewegung hin entwickelt haben. Viele biologische Mikro­schwimmer wie das Pantoffeltierchen nutzen ihre kleinen haarähnlichen Zilien an ihrer Oberfläche, um durch die umgebende Flüssigkeit zu gleiten und sich somit fortzubewegen. Diese Art zu schwimmen ist jedoch mit einem hohen Preis verbunden, da ein großer Teil der verwendeten inneren Energie oft in die umgebende Flüssigkeit abgeleitet und nicht in einen Vortrieb umgewandelt wird. Daher ist es von großem Interesse, herauszufinden, welche Arten von Schwimm­techniken ;optimal und weniger verlustbehaftet sind. Babak Nasouri, Andrej Vilfan und Ramin Golestanian vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbst­organisation zeigen nun, dass die Geschwindigkeits­verteilungen auf der Oberfläche aufsteigender Luftblasen der Schlüssel zu optimalen Schwimmtechniken sind.

Abb.: Ein durch haarähnliche Zilien angetriebener Mikro­schwimmer im...
Abb.: Ein durch haarähnliche Zilien angetriebener Mikro­schwimmer im Vergleich zu einer Luftblase im Wasser. (Bild: Vilfan, MPIDS)

„Das Problem des optimalen Schwimmens auf mikroskopischen Skalen wurde bisher nur für eine begrenzte Anzahl spezifischer Schwimmer gelöst“, sagt Ramin Golestanian, „aber es ist bemerkenswert, dass es ein einfaches Theorem gibt, mit dem das optimale Schwimmen für alle Schwimmer verschiedener Formen und Typen erklärt werden kann.“ Die Untersuchung des Energie­verbrauchs und des optimalen Schwimmens erforderte bisher aufwändige Berechnungen, die für unterschiedliche Formen der Schwimmer individuell durchgeführt werden mussten. Die Wissenschaftler zeigen jedoch, wie man die herkömmlichen Optimierungs­rechnungen, die sonst zum Bestimmen optimaler Schwimmmuster nötig sind, umgehen kann.

Andrej Vilfan, Gruppenleiter in der Abteilung, erzählt, wie die Idee entstand: „Wir haben über einfachere Lösungen nachgedacht. Als eines Tages meine Kinder im Sandkasten spielten, hatte ich viel Zeit, über Physik nachzudenken, aber nichts zum Schreiben. Das sieht man an der Lösung: Statt kompli­zierter Mathematik wird das Problem durch die Betrachtung der Strömung um eine Luftblase gelöst.“ Babak Nasouri ergänzt: „Mithilfe des Theorems können wir jetzt für Schwimmer jeglicher Form die Grenzen der optimalen Bewegung erforschen.“ Das in dieser Studie hergeleitete Theorem beweist, dass alle optimalen Schwimmer, unabhängig von ihrer Form, dem gleichen Prinzip folgen müssen. Sie sollten alle das gleiche Gleitprofil haben wie ihre blasen­förmigen Vorbilder. „Perfekt gleitende Körper wie Luftblasen bewegen sich in einer Flüssigkeit mit dem kleinst­möglichen Energie­aufwand. Daher sollte ein optimaler Mikro­schwimmer die Technik dieser Blasen nachahmen“, sagt Vilfan.

Das neue Theorem sagt auch die minimale Leistung vorher, die ein Schwimmer aufwenden muss, um eine bestimmte Schwimm­geschwindigkeit zu erreichen. Unter Verwendung dieser unteren Grenze für den Energieverlust schlagen die Forscher eine neue Kenngröße für die Effizienz – die Mikro­schwimmer-Effizienz – vor, die ein Maß für die Optimalität eines Schwimmers darstellt. Nasouri erklärt: „Das üblicherweise verwendete Effizienz­kriterium, der Lighthill-Wirkungsgrad, kann hohe Werte erreichen, die unphysi­kalisch sind. Ein nadelförmiger Schwimmer kann zum Beispiel Wirkungsgrade von mehr als 500 Prozent haben. Der von uns vorge­schlagene Mikro­schwimmer-Wirkungsgrad hingegen übersteigt nie 100 Prozent und ist daher eine hervor­ragende Alternative zum Lighthill-Wirkungsgrad.“

Die Forscher hoffen, dass ihr Theorem den Weg für ein besseres Verständnis des Energie­aufwands in der bewegten mikro­skopischen Welt ebnet. „Zusätzlich zu der Energie, die an die umgebende Flüssigkeit abgegeben wird, wenden Mikroschwimmer auch einen großen Teil ihrer internen Energie für die Erzeugung der Gleit­bewegung auf. Daher wäre die Erweiterung unseres Theorems, um diese interne Dissipation zu berück­sichtigen, der nächste natürliche Schritt“, sagt Golestanian.

MPIDS / JOL

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