Lufthüllen für Frachter
Bionische Folie verringert Reibungswiderstand und Bewuchs von Schiffsrümpfen.
Eine Luftbeschichtung, die den Reibungswiderstand von Schiffen reduziert, entwickeln Forscher aus ganz Europa im Projekt Aircoat. Dabei nutzen sie den am Karlsruher Institut für Technologie KIT erforschten Salvinia-Effekt, der es erlaubt, unter Wasser eine Luftschicht dauerhaft zu halten. Die Europäische Kommission fördert das Projekt mit insgesamt 5,3 Millionen Euro. Die wissenschaftliche Koordination liegt bei dem Physiker und Nanotechnologie-Experten Thomas Schimmel am KIT.
Abb.: Die extrem wasserabweisende Oberfläche der Schwimmfarne (Salvinia) dient als Vorbild für die Aircoat-Technologie. (Bild: AG Schimmel, KIT)
Aircoat – Air Induced friction reducing ship coating - zielt darauf, eine passive Luftschmiertechnologie für Schiffe zu entwickeln, die zum Schutz der Meere und der Atmosphäre beiträgt. Eine auf den Schiffsrumpf aufgebrachte selbstklebende Folie erzeugt eine dünne Lufthülle, die den Reibungswiderstand wesentlich verringert und gleichzeitig als physikalische Barriere zwischen Rumpfoberfläche und Wasser wirkt. Dadurch lassen sich Kraftstoffverbrauch und Abgasausstoß des Schiffs beträchtlich reduzieren. Die Luftschicht vermindert auch die Abstrahlung von Schiffslärm. Überdies verhindert sie die Ansiedlung von Meeresorganismen am Schiffsrumpf sowie die Freisetzung von bioziden Substanzen aus darunterliegenden Beschichtungen ins Wasser.
Bei der Luftbeschichtung handelt es sich um eine bionische Anwendung. Aircoat basiert auf dem Salvinia-Effekt, den der Botaniker Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn und der Physiker Thomas Schimmel vom KIT gemeinsam erforscht haben. Dieser Effekt ermöglicht es bestimmten Pflanzen wie den Schwimmfarnen (Salvinia) auch unter Wasser zu atmen. Dazu halten sie eine dünne Luftschicht auf der Oberfläche ihrer Blätter, die haarartige Strukturen aufweist und extrem wasserabweisend ist. Das Projekt setzt diesen Effekt, der die Haltung von Luftschichten auf Oberflächen unter Wasser ermöglicht, nun technologisch auf einem selbstklebenden Foliensystem um.
„Nachdem wir den Salvinia-Effekt verstanden hatten, erkannten wir das enorme ökonomische und ökologische Potenzial einer technischen Umsetzung“, berichtet Thomas Schimmel. „Wir entwickelten eine Methode zur Herstellung einer künstlichen Oberfläche, die den Effekt im Labor nachahmt. Ein früher Prototyp, den wir vor mehr als fünf Jahren unter Wasser gesetzt haben, ist immer noch mit einer dauerhaften Luftschicht bedeckt.“ Nun optimieren die Forscher die neue Technologie und untersuchen die Oberflächeneigenschaften experimentell und numerisch. Anschließend demonstrieren sie die Effizienz und die industrielle Machbarkeit im Labor, auf Forschungsschiffen und auf Containerschiffen. Ein umfassender Validierungsprozess wird den Nutzen für Wirtschaft und Umwelt nachweisen.
KIT / JOL