08.07.2015

Magnetar: Vorsicht, Gammastrahlung!

Größte Explosionen im Universum von den stärks­ten Magnet­feldern befeuert.

Astronomen vom MPI für Extraterrestrische Physik in Garching und der Thüringer Landes­stern­warte Tauten­burg konnten durch Beobach­tungen an den La Silla- und Paranal-Observa­torien erstmals eine Verbindung zwischen einem sehr lange andauernden Gamma­strahlen­ausbruch und einer ungewöhnlich hellen Supernova-Explosion aufzeigen. Wie ihre Unter­suchungen zeigen, ist deren Auslöser nicht wie erwartet der radio­aktive Zerfall von Nickel, sondern statt­dessen ein abklingendes, sehr starkes Magnet­feld um ein exotisches Objekt, einen Magnetar.

Gammastrahlenausbrüche – kurz GRBs, „Gamma-Ray Bursts“ – sind eine der möglichen Folgen, die mit den größten Explosionen in Verbindung gebracht werden, die seit dem Urknall stattgefunden haben. Teleskope in der Erdum­laufbahn, die für diese Art energie­reicher Strahlung empfindlich sind, die die Erd­atmo­sphäre nicht durchdringen kann, spüren sie auf. Anschließend beobachten die Astronomen sie im langwel­ligeren Bereich mit anderen Tele­skopen, sowohl vom Weltraum als auch von der Erde aus.

Abb.: Bei GRB 111209A / SN 2011kl hinterlässt die Supernova einen rotierenden Neutro­nen­stern mit starkem Magnet­feld. Dessen Abbremsung geht einher mit über wenige Wochen andau­erndem Energie­eintrag in die expan­dierende Sternhülle. (Bild: NASA / A. Simonnet, Sonoma State U.)

Für gewöhnlich dauern GRBs nur ein paar Sekunden, aber in ganz seltenen Fällen hält die Gamma­strahlung für Stunden an. Einen solchen, besonders lang dauernden GRB, entdeckte der Satellit Swift am 9. Dezember 2011. Bei GRB 111209A handelte es sich sowohl um einen der längsten als auch um einen der hellsten GRBs, die je beobachtet wurden.

Als das Nachleuchten dieses Ausbruchs langsam abklang, nahm man ihn sowohl mit dem GROND-Instrument am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop auf La Silla als auch dem X-Shooter-Spektrografen des Very Large Telescope am Paranal genauer unter die Lupe. Alle Anzeichen deuteten auf eine Super­nova hin und das Ereignis erhielt die Bezeichnung SN 2011kl. Zum ersten Mal überhaupt konnten Astro­nomen eine Supernova mit einem sehr lang andau­ernden GRB in Verbindung bringen.

Jochen Greiner vom MPE erklärt: „Da auf zehn- bis hunderttausend Supernovae nur etwa ein langanhaltender Gammastrahlenausbruch kommt, muss der Stern, der explodiert ist, irgendwie besonders sein. Bislang sind wir immer davon ausgegangen, dass diese GRBs von sehr masse­reichen Sternen – mit etwa dem fünfzig­fachen der Sonnen­masse – stammen und  sie die Entstehung eines schwarzen Lochs signa­lisieren. Unsere neuen Beobach­tungen der Super­nova SN 2011kl, die nach dem GRB 111209A entdeckt wurde, ändern jetzt allerdings dieses Paradigma für GRBs von sehr langer Dauer.“

Das bevorzugte Szenario des Kollapses eines masse­reichen Sterns führt den mehrere Wochen andauernden Ausbruch optischer und infraroter Strahlung auf den Zerfall von radio­aktivem Nickel-56 zurück, das in der Explosion entsteht. Aber im Fall von GRB 111209A konnte das laut der kombinierten Beobach­tungen mit GROND und dem VLT nicht der Fall sein. Denn die Menge an Nickel-56, die GROND in der Super­nova gemessen hat, ist viel zu hoch, um mit der starken UV-Strahlung vereinbar zu sein, die X-Shooter auffing. Andere Vorschläge schieden ebenfalls aus.

Die einzige Erklärung, die zu den Beobachtungen der Supernova passte, die auf GRB 111209A folgte, war ein Magnetar als Ursache, ein Neutronen­stern, der sich zunächst hunderte Male pro Sekunde um die eigene Achse dreht und ein Magnetfeld aufweist, das deutlich stärker ist als jenes normaler Exemplare, die als Radiopulsare in Erscheinung treten. Magnetare gelten als die am stärksten magnetisierten Objekte im Universum, zum ersten Mal konnten die Astro­­nomen den eindeutigen Zusammenhang zwischen einer Supernova und einem Magnetar beobachten.

Paolo Mazzali von der John Moores University Liverpool sinniert über die Bedeutung der neuen Erkentnisse: „Die neuen Ergebnisse liefern hervor­ragende Belege für einen unerwarteten Zusammen­hang zwischen GRBs, sehr hellen Super­novae und Magnetaren. Zwar wurden einige dieser Zusammen­hänge auf theore­tischer Grundlage bereits seit einigen Jahren vermutet, aber die Sachen untereinander in Verbindung zu bringen, ist eine aufregende neue Entwicklung.“

Demnach fließt zunächst Rotations­energie in das Magnet­feld des Neutronen­sterns, was diesen vergleichs­weise abrupt abbremst. Wie auch bei Exemplaren mit schwächeren Feldern entstehen zwei entgegen­gesetzte Jets, in denen – außerhalb der durch­stoßenen Supernova-Hülle, aufgrund von kolli­dierenden Stoß­fronten die Gamma­strahlung entsteht. Bei den Magnetaren führt das starke Feld nun zu einem längeren „Betrieb“ der Gamma-Fabrik, auf der anderen Seite aber auch zu einer längeren Heizung der Super­nova-Hülle und somit zu deren erhöhter Leucht­kraft – ohne ein nötiges Übermaß an Nickel-56 als Energiequelle und damit eine hohe Masse des Vorläufer­sterns.

„Der Fall von SN 2011kl / GRB 111209A zwingt uns, eine Alter­native zu dem Szenario des Kollapsars in Erwägung zu ziehen. Diese Ergebnisse bringen uns einen großen Schritt weiter in Richtung eines neuen und klareren Bildes hinsicht­lich der Funktions­weise von GRBs“, fasst Greiner zusammen.

ESON / OD

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