Magnetische Aktivität im jungen Sonnensystem
Erstarren des Kerns trieb Konvektion im Inneren von Planetesimalen an.
In der Entstehungsphase des Sonnensystems waren die geschmolzenen metallischen Kerne vieler Planetesimale offenbar in der Lage, Magnetfelder zu erzeugen. Davon zeugen beispielsweise die verblieben Magnetisierungen in eisenhaltigen Meteoriten. Bislang gingen die Forscher davon aus, dass die für einen Dynamoeffekt nötige Konvektion thermisch angetrieben wurde. Da die thermische Konvektion kurzlebig war, wäre auch die magnetische Aktivität nur von kurzer Dauer gewesen – einige zehntausend Jahre.
Abb.: Ein Stück des „Esquel“-Meteoriten, eines Pallasiten, also eines Stein-Eisen-Meteoriten. Eingebettet in eine Matrix aus Eisen und Nickel sind Kristalle aus Olivin. (Bild: Natural History Museum, London)
Wie James Bryson von der University of Cambridge in Großbritannien und seine Kollegen jetzt zeigen, greift dieses Szenario jedoch zu kurz. Das Team hat Bruchstücke der Pallasiten „Imilac“ und „Esquel“ einer eingehenden nanomagnetischen Untersuchung unterzogen und so die Magnetisierungsgeschichte in der Kruste des Ursprungskörpers dieser Stein-Eisen-Meteoriten rekonstruiert. In Pallasiten wechseln sich zentimetergroße Bereiche aus einer Nickel-Eisen-Matrix und Olivin-Kristallen ab. Die Analyse zeigt, dass der Ursprungskörper keineswegs nur kurzzeitig, sondern über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren ein Magnetfeld besaß und dass dieses Magnetfeld sich abschwächte und schließlich ganz verschwand, als der Kern des Himmelskörpers vollständig vom flüssigen in den festen Zustand übergegangen war.
Bryson und seine Kollegen ziehen daraus den Schluss, dass für diese Magnetisierung nicht thermische Konvektion, sondern eine von der fortschreitenden Verfestigung des Kerns angetriebene Konvektion verantwortlich war. Um diese These zu überprüfen, hat das Team die Abkühlung eines 400 Kilometer großen Planetesimals über einen Zeitraum von 250 Millionen Jahren modelliert. Aus der inneren Struktur konnten die Forscher eine Abkühlungsrate und damit den wahrscheinlichen Herkunftsort der Meteoriten ermitteln. „Imilac“ stammt demnach aus einer Tiefe von 38 Kilometern, „Esquel“ aus einer Tiefe von 45 Kilometern in der Kruste des Himmelskörpers.
Das Modell zeigt, wie die Fraktionierung der chemischen Elemente bei der Abkühlung und Verfestigung des Kerns zu einer langlebigen Konvektion führt, die ihrerseits über den Dynamoeffekt ein Magnetfeld erzeugt. Dieser Prozess hat zwischen 60 und 250 Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten größeren Körper im jungen Sonnensystem eingesetzt und, abhängig vom Radius der Planetesimale, 25 bis 150 Millionen Jahre angedauert. Diese Ergebnisse sind in guter Übereinstimmung mit den in „Imilac“ und „Esquel“ gemessenen Magnetisierungen. Nach einer ersten, kurzen magnetischen Aktivitätsphase durch thermische Konvektion gab es also, so schließen Bryson und seine Kollegen, eine zweite, längere Phase magnetischer Aktivität, von der ein großer Teil der Planetesimale im jungen Sonnensystem betroffen war. Dieser Effekt könnte auch, so die Forscher weiter, eine Erklärung für den langlebigen Magnetismus des Mondes liefern, der sich aus Untersuchungen von Mondgestein ableiten lässt.
Rainer Kayser
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