Magnetische Fingerabdrücke von Helium-3
Supraleitungssensoren ermöglichen hochempfindliche Messungen dünner Supraflüssigkeits-Schichten.
Tieftemperatur-Spezialisten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben mit supraleitende Quanteninterferenzdetektoren, sogenannten SQUIDs, dazu beigetragen, dass die magnetischen Momente von Atomen des seltenen Isotopes 3He (Helium-3) extrem empfindlich gemessen werden konnten. Mithilfe dieser Sensoren wurden hochempfindliche Kernresonanzspektrometer entwickelt, die jetzt Einblick in den Zustand der Materie bei extrem tiefen Temperaturen lieferten. Konkret sperrte die internationale Forschergruppe aus London, Ithaca und dem PTB-Institut Berlin das Helium-3 als extrem dünnen – quasi zweidimensionalen – Flüssigkeitsfilm ein. Dann konnten die Wissenschaftler mithilfe ihrer hochempfindlichen Messgeräte die Eigenschaften der Supraflüssigkeit genauer als je zuvor messen. Damit ist ihnen ein wichtiger Schritt zum Verständnis der einzigartigen Quantenflüssigkeit Helium-3 und ihrer supraflüssigen Eigenschaften gelungen.
Abb.: PTB-SQUID-Sensorchip (3 x 3 mm2), der ähnlich wie ein Computerchip in der Halbleiterindustrie hergestellt wird. (Bild: PTB)
Helium-3 ist die viel seltenere Schwester von Helium-4, das man beispielsweise benötigt, um die Spulen von Magnetresonanztomografen auf Arbeitstemperatur zu bringen. Will man noch tiefer in Richtung des absoluten Nullpunkts vorstoßen, braucht man Helium-3, das in der Natur 10.000-mal seltener als Helium-4 vorkommt und für technische Zwecke künstlich in Kernreaktoren hergestellt werden muss. Nur mit einer Mischung aus den beiden Helium-Isotopen sowie spezieller, ausgeklügelter magnetischer Kühltechnik kann man Materieproben bis auf wenige millionstel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt abkühlen und dann mit diesen Materialien experimentieren.
Allerdings unterscheiden sich die Supraflüssigkeiten der beiden Isotope aus quantenmechanischer Sicht sehr stark, denn Helium-4 Atome sind Bosonen, Helium-3 Atome dagegen Fermionen. In Letzteren bildet sich die Supraflüssigkeit, indem sich immer zwei Atome über eine magnetische Wechselwirkung zu einem Pärchen zusammenfinden.
Physiker des Tieftemperaturlabors der Londoner Royal Holloway University in Kooperation mit einer Gruppe der Cornell University Ithaca, USA, befassen sich mit der detaillierten Untersuchung dieser Supraflüssigkeiten unter extremen Bedingungen. Die Physiker sperren die Flüssigkeit unter Druck in dünne Käfige von nur einigen hundert Nanometern Dicke. Dann wird das Verhalten der Helium-3-Atome bzw. der Pärchen, die die Supraflüssigkeit ausmachen, stark von dieser Bewegungseinschränkung in einer Dimension beeinflusst. Insbesondere die Reflexionen der Atome am Boden und an der Decke des Käfigs haben große Auswirkung auf deren Eigenschaften. Von den Bedingungen, die in dieser ultrakalten Flüssigkeitslamelle herrschen, erhoffen sich die Physiker auch die Möglichkeit, spezielle Anregungen, z. B. mit dem Charakter sogenannter Majorana-Fermionen nachweisen und untersuchen zu können.
Das große Problem bei derartigen Experimenten ist die Messung der Eigenschaften der extrem dünnen Helium-3-Flüssigkeitslamelle. Da hier die Wechselwirkungen der magnetischen Momente der Atomkerne von Helium-3 eine entscheidende Rolle spielen, benutzt man die Magnetische Kernresonanzspektroskopie zu deren Untersuchung. Die gemessenen Spektren sind charakteristische Fingerabdrücke der Zustände der Helium-3-Atome, aus denen sich die gewünschten Eigenschaften der Flüssigkeit herauslesen lassen.
Hier kamen die SQUIDs ins Spiel, die Physiker und Ingenieure der PTB seit mehr als zwei Jahrzehnten entwickeln. Diese supraleitenden Quanteninterferenzdetektoren sind die empfindlichsten Sensoren, die es gibt, um extrem schwache magnetische Signale zu erfassen. Sie sind bereits Standard, um etwa in der biomedizinischen Messtechnik die Magnetfelder des menschlichen Gehirns oder des Herzens zu untersuchen. Aktueller noch ist ihr Einsatz zusammen mit anderen supraleitenden Detektoren, um extrem empfindlich Strahlung zu messen oder einzelne Photonen zu detektieren.
Die PTB-SQUID-Sensorik wurde an der Royal Holloway University in den Versuchsaufbau integriert, um schließlich die Eigenschaften von Helium-3-Flüssigkeitslamellen zu messen. Die Wissenschaftlergruppen arbeiten derzeit bereits an verbesserten Sensoranordnungen, mit denen sie in Zukunft die Substanzen ortsabhängig untersuchen können.
PTB / PH