Magnetische Nano-Mosaike
Neue Klasse magnetischer Gitter entdeckt.
Seit etwa zehn Jahren sind magnetische Skyrmionen – teilchenartige, stabile magnetische Wirbel, die in bestimmten Materialien entstehen können und faszinierende Eigenschaften besitzen – im Fokus der Forschung: Elektrisch gut zu kontrollieren und nur wenige Nanometer groß eignen sie sich für zukünftige Anwendungen in der Spinelektronik, in Quantencomputern oder in neuromorphen Chips. Gefunden wurden diese magnetischen Wirbel zunächst in regelmäßigen Gittern. Später wurden an der Uni Hamburg auch einzelne Skyrmionen beobachtet. Forscher der Unis Kiel und Hamburg haben jetzt eine neue Klasse von spontan auftretenden magnetischen Gittern entdeckt. Sie sind zwar mit den Skyrmionengittern verwandt, aber ihre atomaren Stabmagnete auf der Nanometerskala sind anders ausgerichtet. Ein grundsätzliches Verständnis davon, wie solche komplexen Spinstrukturen entstehen, angeordnet sind und stabil bleiben, ist auch für zukünftige Anwendungen nötig.
„In unseren Messungen haben wir eine hexagonale Anordnung von magnetischen Kontrasten gefunden und das zuerst auch für ein Skyrmionengitter gehalten. Erst später wurde klar, dass es ein nanoskaliges magnetisches Mosaik sein könnte“, so Kirsten von Bergmann von der Uni Hamburg. Mit ihrem Team untersuchte sie dünne metallische Filme aus Eisen und Rhodium experimentell mit spinpolarisierter Rastertunnelmikroskopie. Damit lassen sich magnetische Strukturen bis hin zur atomaren Skala abbilden. Die beobachteten magnetischen Gitter traten spontan auf wie bei einem Ferromagneten, also ohne angelegtes magnetisches Feld. „Mit einem Magnetfeld können wir die Mosaikgitter invertieren, denn die entgegengesetzten Spins kompensieren sich nur teilweise“, so André Kubetzka von der Uni Hamburg.
Aufgrund dieser Messungen führte die Gruppe von Stefan Heinze an der Uni Kiel quantenmechanische Rechnungen auf den Supercomputern des Norddeutschen Verbandes für Hoch- und Höchstleistungsrechnen durch. Sie zeigen, dass in den untersuchten Eisenfilmen die Verkippung der atomaren Stabmagnete in einem Gitter aus magnetischen Wirbeln, also in alle Raumrichtungen, sehr ungünstig ist. Begünstigt wird dort stattdessen eine nahezu parallele oder antiparallele Ausrichtung benachbarter atomarer Stabmagnete.
„Dieses Ergebnis hat uns vollkommen überrascht. Ein Gitter aus Skyrmionen kam damit nicht mehr als Erklärung für die experimentellen Beobachtungen in Frage“, sagt Mara Gutzeit von der Uni Kiel. Erst die Entwicklung eines atomistischen Spinmodells brachte Klarheit, dass es sich um eine neuartige Klasse von magnetischen Gittern handeln musste, von den Forschern als „Mosaikgitter“ bezeichnet. „Wir haben festgestellt, dass Austauschterme höherer Ordnung, die erst vor wenigen Jahren vorhergesagt wurden, diese mosaikartigen magnetischen Strukturen hervorrufen“, so Soumyajyoti Haldar von der Uni Kiel.
CAU Kiel / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Gutzeit et al.: Nano-scale collinear multi-Q states driven by higher-order interactions, Nat. Commun. 13, 5764 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-33383-w - Institut für theoretische Physik und Astrophysik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- AG Wiesendanger, Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik, Universität Hamburg