27.06.2012

Magnetische Tornados in der Sonnenatmosphäre

Transportieren die Wirbel Energie von der Sonnenoberfläche in die Korona?

Mit über einer Million Grad ist die Korona der Sonne rund zweihundertmal heißer als ihre Oberfläche. Die Aufheizung der äußeren Atmosphäre unseres Zentralgestirns und die Beschleunigung des Sonnenwinds erfordern einen Energiefluss von 100 bis 300 Watt pro Quadratmetern – doch bislang ist es ein ungelöstes Rätsel, wie diese Energie von der Sonnenoberfläche in die Atmosphäre transportiert und wie sie dort dissipiert wird. In der Fachliteratur werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert wie Alvénwellen und magnetische Rekonnektionen – aber eine befriedigende Erklärung ist bislang nicht gelungen.

Abb.:Simulation eines magnetischen Tornados in der Sonnen-Atmosphäre (Bild: Wedemeyer-Böhm et al.)

Sven Wedemeyer-Böhm von der Universität Oslo und Kollegen präsentieren nun einen neuen, viel versprechenden Ansatz: Tornadoähnliche magnetische Wirbel könnten die Energie von der Konvektionszone der Sonne bis tief in die Korona transportieren. Zusammen mit Luc Rouppe van der Voort hatte Wedemeyer-Böhm bereits 2009 wirbelförmige Strukturen in der Chromosphäre entdeckt. Gemeinsam mit weiteren Kollegen haben die beiden Astrophysiker diese Wirbel nun mit dem amerikanischen „Solar Dynamics Observatory“ untersucht.

Es gelang dem Team nicht nur zu zeigen, dass es sich bei den Wirbeln um schnell rotierende magnetische Strukturen handelt. Die Beobachtungen zeigen außerdem, dass diese magnetischen Tornados von der Konvektionszone über die Chromosphäre bis weit in die Korona hinein reichen. Die rotierenden Feldlinien reißen Gas von der Sonnenoberfläche mit sich und lassen es auf einer spiralförmigen Bahn in die Korona aufsteigen.

Die einzelnen Sonnen-Tornados haben einen Durchmesser von typischerweise 1500 Kilometern und eine durchschnittliche Lebensdauer von 13 Minuten. Innerhalb von 55 Minuten Beobachtungsdauer fand das Team innerhalb eines eine Bogenminute mal eine Bogenminute großen Ausschnitts der Sonne 14 Wirbel. Hochgerechnet bedeutet das, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt 11.000 Wirbel auf der Sonnenoberfläche aktiv sind. Modellrechnungen von Wedemeyer-Böhm und Kollegen zeigen, dass die magnetischen Tornados insgesamt genug Energie transportieren, um die Erhitzung der Korona zu erklären.

Stephen Bradshaw von der William Marsh Rice University in Houston mahnt allerdings zur Vorsicht: Weitere Beobachtungen müssten zunächst einmal zeigen, ob die extrapolierte Anzahl der Sonnentornados tatsächlich realistisch ist. Außerdem fehle immer noch ein Mechanismus, der die Bewegungsenergie der magnetischen Wirbel in Wärme umwandelt. „Doch das große Potenzial dieser Ergebnisse, das Problem der heißen Sonnenkorona zu lösen, wird sicherlich weitere Untersuchungen dieses Phänomens antreiben“, hofft Bradshaw.

Rainer Kayser

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