08.04.2020 • Magnetismus

Magnetoakustische Wellen für die Elektronik

Piezoelektrisch angeregte Spinwellen erreichen hohe Auslenkung bei großer Reichweite.

Die Magnonik, die sich mit magnetischen Phänomenen in Fest­körpern befasst, gilt als viel­ver­sprechendes Gebiet, um eine Revolution in der Elektronik anzustoßen. Dabei stehen insbesondere Magnonen genannte Spin­wellen im Fokus der Forschung. Bei diesen pflanzt sich eine Auslenkung der Spin­achsen parallel ausge­richteter Elektronen­spins in einem Material fort, was im Wesent­lichen ohne Energie­verlust statt­findet. Denn bei den Spin­wellen müssen sich keine Ladungs­träger bewegen, sondern ledig­lich die mit­ein­ander gekoppelten Spins neu ausrichten. Neben einer im Prinzip um Größen­ordnungen höheren Rechen­geschwin­dig­keit und Takt­frequenz fiele auch weniger Wärme an. Außerdem wäre die Kontak­tierung von magno­nischen Bauteilen wesentlich einfacher zu gestalten.

Abb.: Schematische Darstellung der piezoelektrisch angeregten Schallwellen...
Abb.: Schematische Darstellung der piezoelektrisch angeregten Schallwellen (grün) und Spinwellen (orange-cyan) auf der Oberfläche eine dünnen ferromagnetischen Films. (Bild: B. Casals et al. / APS)

Noch fehlt es allerdings an gut zu steuernden Materialien, die solche Spin­wellen zuver­lässig und schnell über aus­reichend große Distanzen weiter­leiten. Ein inter­natio­nales Forscher­team um Ferran Macià von der Univer­sität Barcelona hat jetzt eine interes­sante neue Möglich­keit der Spin­kontrolle vorge­schlagen. Diese unter­scheidet sich von bisherigen Verfahren, die vor allem auf zeitlich veränder­lichen magne­tischen Feldern beruhen. Solche Felder benötigen kleine Antennen, die Magnet­pulse aussenden. Das bringt die Elektronen­spins zwar zum Wackeln – aller­dings ist der Effekt begrenzt. Typischer­weise liegt die Amplitude der Spin­aus­lenkung nur im Bereich von etwa einem Grad oder weniger. Außerdem ist die Reich­weite der Spin­wellen gering und beträgt häufig nur wenige Mikro­meter. Auch andere Verfahren, die etwa mit Laser­pulsen oder spin­polari­sierten Strömen solche Spin­wellen anregen, haben mit dem Problem zu kämpfen, das das Material der Ausbreitung zu großen Wider­stand entgegen­setzt.

Die Wissenschaftler um Macià setzen deshalb auf ein anderes Konzept. Ihre Idee besteht darin, die Spin­wellen mit Hilfe von piezo­elektrisch ange­regten akus­tischen Wellen anzu­treiben. So ist schon lange bekannt, dass Zug- oder Druck­belas­tungen, wie sie bei akus­tischen Wellen auftreten, die magnetischen Eigen­schaften im Material beein­flussen können. Die Wissen­schaftler trugen einen dünnen Nickel­film auf einem piezo­elek­trischen Substrat auf. Die verzahnenden Antennen dazwischen waren in der Lage, akustische Ober­flächen­wellen im Bereich von 0,1 bis 2,5 Giga­hertz zu erzeugen. Um die ent­stehenden Wellen auszu­messen, bedienten sich die Wissen­schaftler der Photo­emissions-Elektronen­mikro­skopie an der CIRCE-Beamline des ALBA-Synchrotrons bei Barcelona.

Die Oberflächenwellen waren mit der Wieder­holungs­rate des ALBA-Synchrotrons synchro­nisiert, so dass die Forscher strobo­skopische Aufnahmen der Zug­belas­tungen im Material und gleich­zeitig auch der Magneti­sierung aufnehmen konnten. Dabei erreichten sie eine räum­liche Auflösung von weniger als hundert Nano­meter. Wie sich bei den Aufnahmen zeigte, kam es zu einer beträcht­lichen Aus­lenkung der Spin­orien­tierung. Die Variation betrug bis zu 25 Grad bei entgegen­gesetzter Phase der Ober­flächen­wellen – und zwar bei Raum­temperatur. Es ist also möglich, Magneti­sierungs­wellen hoher Amplitude zu erzeugen, die allein durch die Form­änderung beim Durch­lauf akustischer Wellen erzwungen werden. Die Lauf­länge dieser magneto­akus­tischen Wellen war über­raschend lang: Die Wissen­schaftler konnten eine Ausbreitung über etwa sechs Milli­meter nach­weisen. Die Wellen­länge betrug einige Mikrometer.

Dabei ließen sich im selben Aufbau unter­schied­liche Frequenzen und Wellen­längen erzielen. Außerdem ließen sich die magneto­akustischen Wellen auch mit Hilfe eines externen Magnet­felds modulieren. Indem sie mehrere akustische Ober­flächen­wellen an verschie­denen Stellen im Material anregten, konnten die Wissen­schaftler auch Inter­ferenz­muster magneto­akustischer Wellen herstellen.

Diese Ergebnisse zeigen einerseits das Potenzial auf, mit einem kompakten Aufbau etwa Informa­tionen auf einem Mikro­chip zu über­tragen. Auch die Kommuni­ka­tion zwischen Mikrochip-Komponenten wäre möglich. Man kann auch zwei Spin­wellen mitein­ander inter­ferieren lassen, um damit eine logische Operation durch­zu­führen.

Akustisch angeregte magnetischen Wellen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie neben der größeren Lauf­länge der Wellen auch weniger Energie zur Anregung benötigen als solche Wellen, die durch magnetische Wechsel­felder oder spin­polari­sierte Ströme erzeugt werden. Abgesehen von Anwendungen in der Elektronik können sich die Forscher auch vorstellen, dass sich solche magneto­akustischen Wellen für kleine Motoren eignen.

Dirk Eidemüller

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