02.01.2017

Marsmission in Utah

Roboter bestehen Wüstentest für den Einsatz bei künftigen Planetenmissionen.

Eine große Herausforderung bei der Erkundung des Mars durch Roboter stellt die unebene, von Gräben und Kratern gezeichnete Oberfläche des Roten Planeten dar. Ob die Systeme dem unwegsamen Gelände gewachsen sind, müssen sie zunächst auf der Erde beweisen – zum Beispiel in der felsigen Wüsten­landschaft des US-Bundes­staats Utah. Von Ende Oktober bis Ende November 2016 stellten dort Wissenschaftler vom Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) ihre Roboter­systeme und deren Kooperations­fähigkeit im Rahmen des Projekts Field Trials Utah (FT-Utah) auf die Probe.

Abb.: Coyote III in felsigem Gelände nach erfolgreicher Klippenabfahrt (Bild: DFKI GmbH / T. Stark)

Teil des Projekts war die vierwöchige Feldtest­kampagne in der Wüste des amerikanischen Bundes­staats, in der die Forscher die Systeme außerhalb des Labors in einer natürlichen, un­strukturierten Umgebung erprobten. Zusammen mit einer in Bremen stationierten Kontroll­station simulierten die Wissenschaftler eine komplette Missions­sequenz. Dafür reisten sechs DFKI-Wissenschaftler Ende Oktober in die abgelegene Gegend nahe der Ortschaft Hanksville, wo sie die Basis­station für die Feld­tests errichteten. Die Roboter sowie das benötigte Equipment hatten die Reise bereits einige Wochen zuvor, sicher in einem Schiffs­container verstaut, angetreten.

Zu den in Utah getesteten Systemen gehörten der Schreit- und Fahr­rover SherpaTT sowie der Mikro-Rover Coyote III, die beide im Rahmen des Vorhabens TransTerrA am Robotics Innovation Center entwickelt und aufgebaut wurden. Der etwa 150 Kilogramm schwere SherpaTT, der sich dank seines aktiven Fahr­werks besonders gut für unwegsames Gelände eignet, verfügt über sechs standardisierte elektro­mechanische Schnitt­stellen, die u.a. dem Transport größerer Nutzlast­einheiten dienen. Zudem ist der Rover mit einem etwa zwei Meter langen, zentral angebrachten Roboter­arm – einem sogenannten Manipulator – mit sechs Freiheits­graden ausgestattet, der es ihm ermöglicht, Boden­proben zu entnehmen und diese an den kleineren, mit 15 Kilogramm deutlich leichteren Coyote III zu übergeben. Auch der Mikro-Rover erreicht durch den Einsatz von Stern­rädern in Kombination mit einem passiven Fahrwerk eine hohe Mobilität in un­strukturiertem Gelände, insbesondere auf Steilhängen. Über zwei Schnitt­stellen lässt er sich mit Nutzlast­containern und einem Roboter­arm erweitern. Auf diese Weise kann auch Coyote III Nutz­lasten befördern, weshalb er im Rahmen der Feldtests dem größeren SherpaTT als Support­system diente.

Komplettiert wurde das ungleiche Roboter-Team durch immobile robotische Einheiten, und zwar durch ein BaseCamp sowie verschiedene mit elektro­mechanischen Schnitt­stellen ausgestattete Nutzlast­container. Das BaseCamp wurde im Rahmen der Feldtests sowohl als Kommunikations­station zur Weiter­leitung von Daten als auch als modularer Knoten­punkt zur Aufnahme der Nutzlast­container eingesetzt, und von SherpaTT über eine Schnitt­stelle transportiert und aufgestellt. Die Nutzlast­container kamen in FT-Utah in erster Linie für Proben­aufnahmen zur Anwendung. Die standardisierten Boxen lassen sich aber auch mit anders­artiger Sensorik, Batteriepaketen oder Instrumenten ausstatten.

Abb.: Die robotischen Systeme in der Testumgebung in Utah (Bild: DFKI GmbH / F. Cordes)

Für die Kontrolle der angestrebten Mission wurde ein Leitstand am Robotics Innovation Center in Bremen eingerichtet, der per Satellitenlink eine Kommunikations­verbindung zu den Robotern in Utah aufbaute. Das Virtual Reality Lab, eine interaktive 3D-Multi­projektions­anlage, ermöglichte es dem Operator, den Missions­status in einer virtuellen Realität zu beobachten. Neben einem Zeigegerät diente ein zwei­armiges Oberkörper-Exoskelett als Eingabe- und Kontroll­gerät. Damit konnte der Operator die Roboter in Utah intuitiv mit natürlichen Bewegungs­mustern steuern. Durch ein integriertes Force-Feedback erhielt er zudem direkte Rückmeldung über die auf den Manipulator von SherpaTT wirkenden Kräfte, wodurch er diesen in der über 8.300 Kilometer entfernten Umgebung sicher bewegen und platzieren konnte.

Neben der Kontrollstation in Bremen errichteten die Wissenschaftler auf dem Test­gelände in Utah einen mobilen Leit­stand. Dieser ermöglichte nicht nur den Test und die Durchführung von Missions­sequenzen direkt vor Ort, sondern diente auch der Übermittlung der von den Robotern empfangenen Daten via Satellit nach Bremen.

Bei den Feldversuchen in Utah konnten die Forscher Teile einer Mars-Sample-Return-Mission erfolgreich simulieren. Die einzelnen Missions­schritte wurden von der Bremer Kontroll­station aus gesteuert: Dafür forderte der Operator zunächst drei­dimensionale Umgebungs­karten von den Systemen sowie Fotos der Roboter­kameras an, um sich ein Bild von der Umgebung machen zu können. Anschließend setzte er Weg­punkte in die Karten, die von den zwei Rovern autonom angefahren wurden. Am Ort der Probe­nahme angekommen, gelang es, den Manipulator von SherpaTT mithilfe des Exoskeletts manuell zu steuern. Nach einem Rendezvous der beiden Roboter navigierte Coyote III entlang der gesetzten Weg­punkte schließlich selbst­ständig zurück zum Ausgangs­punkt.

Das autonome Verhalten der Roboter zu realisieren, erwies sich als große Herausforderung innerhalb der Feldtest­kampagne, da nicht nur ein einzelnes System, sondern ein Roboter-Team mit verschieden­artiger Sensorik zum Einsatz kam. Dieses musste sich – abgesehen von sehr groben Übersichts­karten – in komplett unbekanntem Gelände sicher bewegen. Dafür setzten die Wissenschaftler des DFKI auf spezielle Selbst­lokalisierungs- und Kartierungs­algorithmen, welche die Informationen aus den unterschiedlichen Sensoren integrierten und eine entsprechende Karte daraus generierten.

Neben der kooperativen Mission wurden die Systeme auch einzeln hinsichtlich ihrer Mobilität in unstrukturiertem Gelände getestet. So überwand SherpaTT erfolgreich Steigungen von bis zu 28 Grad – wobei seine aktive Boden­anpassung den permanenten Boden­kontakt aller vier Räder mit annähernd gleicher Last­verteilung sicherstellte. Coyote III bewältigte Steigungen von bis zu 42 Grad und bezwang mithilfe eines Seil­systems sogar Steil­klippen mit Überhängen. Insgesamt konnten die Wissenschaftler durch die Feldtest­kampagne wichtige Erkenntnisse zur Robust­heit und Bewegungs­fähigkeit ihrer Systeme, sowie zur autonomen und kooperativen Erkundung un­strukturierter Umgebungen gewinnen. Durch den Einsatz des Virtual Reality Labs gelang es ihnen zudem, eine intuitive Missions­steuerung unter realitäts­nahen Bedingungen zu demonstrieren. FT-Utah und TransTerrA werden vom Raumfahrt­management des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.

DFKI / DE

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