Masse des Deuterons korrigiert
Neu gemessener Wert ist der bislang genaueste, aber signifikant kleiner als der tabellierte Referenzwert.
Hochpräzise Messungen der Masse des Deuterons, des Kerns von schwerem Wasserstoff, bringen neue Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit fundamentaler Größen der Atom- und Kernphysik. Das berichtet eine Kollaboration unter der Leitung des MPI für Kernphysik. Damit stehen jetzt direkt auf den atomaren Massenstandard bezogene Daten für Wasserstoff H, Deuterium D und das Molekül HD, das die Wissenschaftler ebenfalls neu gewogen haben, zur Verfügung.
Die Massen der Atomkerne wie auch die des Elektrons beeinflussen zahlreiche Eigenschaften von Atomen und Molekülen, beispielsweise ihre Spektren. Physiker wünschen sich möglichst genaue Werte dieser Massen, denn nur mit deren Kenntnis ist es möglich, die Spektren mit Hilfe der Atomphysik präzise zu berechnen – um sie dann mit direkten Messungen zu vergleichen und so beispielsweise Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit der grundlegenden physikalischen Theorien zu ermöglichen.
Von besonderem Interesse sind in diesem Kontext Wasserstoff und seine Isotope, denn deren einfache Elektronenhülle mit nur einem einzigen Elektron lässt extrem präzise Berechnungen und damit sehr sensitive Tests grundlegender physikalischer Theorien zu. Darüber hinaus lässt sich aus der Masse des Deuterons auch die Masse des Neutrons ableiten. Nachdem sie in den letzten Jahren schon das Elektron und das Proton, also den Kern des gewöhnlichen Wasserstoffatoms, präzise gewogen hatten, haben Forscher um Klaus Blaum und Sven Sturm vom MPI für Kernphysik jetzt auch das Deuteron, den Kern von schwerem Wasserstoff, bestehend aus einem Proton und einem Neutron, sowie das HD+-Molekülion auf die Präzisionswaage gelegt. Da Deuterium selten ist und normalerweise leicht durch den viel häufigeren normalen Wasserstoff ersetzt wird, hat eine Arbeitsgruppe von Christoph Düllmann an der Uni Mainz eine spezielle Deuterium-Probe passgenau für die verwendete Apparatur hergestellt.
Als Präzisionswaagen für Ionen haben sich Penningfallen bewährt. In solch einer Falle kann man einzelne geladene Teilchen mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern für lange Zeit einsperren. Das gefangene Teilchen führt in der Falle eine charakteristische Bewegung aus, die durch eine Frequenz beschrieben wird. Diese Frequenz hängt von der Masse des gefangenen Teilchens ab – schwerere Teilchen schwingen langsamer als leichtere. Wenn man nun zwei unterschiedliche, einzelne Ionen nacheinander in der gleichen Falle vermisst, kann man so das Verhältnis der Massen exakt ermitteln.
Der Massenstandard für Atome ist das Kohlenstoffisotop 12C, das per Definition 12 atomare Masseneinheiten schwer ist. „Unsere LIONTRAP genannte Penningfallen-Apparatur befindet sich in nahezu perfektem Vakuum bei einer Temperatur von etwa 4 Grad über dem absoluten Nullpunkt in einem supraleitenden Magneten. Darin haben wir je ein Deuteron D+ und ein Kohlenstoffion 12C6+ präpariert, abwechselnd eines davon aus seiner Speicherfalle in die dazwischen eingebaute Präzisionsfalle transferiert und seine Bewegung genauestens vermessen“, erklärt Sascha Rau, der die Messungen durchgeführt hat, das Messprinzip. „Aus dem so erhaltenen Verhältnis der Frequenzen beider Ionen ergibt sich direkt die Masse des Deuterons in atomaren Einheiten.“ Das Kohlenstoffion agiert also als Referenzgewicht.
Bei der Auswertung der Messdaten mussten die Forscher eine Vielzahl an systematischen Effekten berücksichtigen. Als Ergebnis erhielten sie die Masse des Deuterons zu 2,013553212535(17) atomaren Einheiten. Die mit derselben Methode bestimmte Masse des Wasserstoff-Molekülions HD+ beträgt 3,021378241561(61) atomare Einheiten.
Der neue Wert für die Masse des Deuterons ist der genaueste jemals gemessene, ist aber signifikant kleiner als der tabellierte Referenzwert. „Um unser Ergebnis zu validieren, haben wir damit und mit den früher von uns gemessenen Massen des Protons und des Elektrons sowie der bekannten Bindungsenergie die Masse von HD+ berechnet. Das Resultat stimmt hervorragend mit unserem direkt gemessenen Wert überein. Außerdem passt das aus unseren Daten abgeleitete Massenverhältnis von Deuteron zu Proton sehr gut zu dem von einer anderen Gruppe direkt gemessenen Wert“, freut sich Sturm. Diese Konsistenz der Daten untermauert die verwendete Messmethodik und legt es nahe, dass die Referenzwerte korrigiert werden sollten. Außerdem verringern die neuen Daten die bisher bei den Massen leichter Kerne bestehenden Diskrepanzen erheblich. Um diese jedoch vollständig aufzuklären, sind weitere hochpräzise Massenmessungen – direkt in atomaren Einheiten – an überschwerem Wasserstoff und leichtem Helium erforderlich.
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Rau et al.: Penning-trap mass measurements of the deuteron and the HD+ molecular ion, Nature, online 2. September 2020; DOI: 10.1038/s41586-020-2628-7 - Abt. Gespeicherte und gekühlte Ionen, Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
- AG Superschwere Elemente (C. Düllmann), Dept. Chemie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz