08.11.2016

Materie und Antimaterie sind symmetrisch

Experiment bestimmt Massenverhältnis von Anti­proton zu Elek­tron mit bis­lang höch­ster Genauig­keit.

Nach dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik existiert zu jedem Teil­chen ein Anti­teil­chen, das sich exakt gleich ver­halten sollte. „Anti-Menschen“ in einer Anti-Welt würden somit die gleichen physi­ka­lischen Gesetze beob­achten wie wir. Diese Annahme ist jedoch nur schwer zu über­prüfen, da es fast unmög­lich ist, Mes­sungen an Anti­materie vorzu­nehmen: Wann immer ein Anti­teil­chen auf sein materi­elles Gegen­stück trifft, ver­nichten sich die beiden Teil­chen gegen­seitig unter Frei­set­zung von Energie. Ein inter­natio­nales Team von Wissen­schaftlern hat jetzt einen Weg gefunden, diese Hürde zu nehmen. In einem Experi­ment am CERN fangen die Forscher Anti­protonen in Helium­atomen ein. Da die Helium­atome auf­grund neuer Kühl­tech­niken fast zum Still­stand kommen, lassen sich an den so gefan­genen Anti­protonen hoch­genaue spektro­sko­pische Unter­suchungen durch­führen. „Wir erreichen für das Ver­hältnis von Anti­proton- zu Elektron-Masse eine Genauig­keit von 800 zu einer Billion“, sagt Masaki Hori vom MPI für Quanten­optik.

Abb.: Schema des experimentellen Auf­baus, mit dem am CERN das Ver­hält­nis von Anti­proton- zu Elektron-Masse be­stimmt wird. (Bild: M. Hori, MPQ)

Forscher des MPI für Quantenoptik bauten 1997 in Zusammen­arbeit mit weiteren europä­ischen, amerika­nischen und japa­nischen Gruppen den „Anti­proton Decele­rator“ am CERN. Hier werden die in Teil­chen­kolli­sionen bei hohen Energien erzeugten Anti­protonen gesammelt, zirku­lieren in einer ring­för­migen Vakuum­kammer von 190 Meter Umfang und werden dort schritt­weise abge­bremst, bevor sie den Experi­menten zuge­führt werden. Die ASACUSA-Gruppe, zu der Hori als einer der Projekt­leiter gehört, schickt die Anti­protonen auf ein Helium-Target. Gewöhn­liches Helium besteht aus einen Atom­kern, der von zwei Hüllen­elek­tronen um­rundet wird. Wenn die Anti­protonen auf das Helium­gas treffen, ersetzen unge­fähr drei Prozent der nega­tiv gela­denen Anti­teil­chen eines der Hüllen­elek­tronen. Das Anti­proton befindet sich in einer hoch ange­regten Umlauf­bahn in einer Ent­fernung von etwa 100 Piko­metern von dem Helium­kern. Um seine Masse zu bestimmen, führen die Wissen­schaftler hoch­präzise spektro­sko­pische Unter­suchungen durch. Dazu bestrahlen sie die anti­proto­nischen Helium­atome mit Laser­licht, dessen Frequenz genau so einge­stellt ist, dass das Anti­proton von einer Energie­bahn auf die nächste hüpft. Ver­gleicht man diese Frequenz mit theore­tischen Berech­nungen, dann lässt sich daraus die Masse des Anti­protons im Ver­hältnis zur Masse des Elek­trons ableiten.

Die ständige thermische Bewegung der antiprotonischen Atome ruft jedoch prinzi­pielle Unge­nauig­keiten hervor: Atome, die sich dabei auf den Laser zu bewegen, sehen auf­grund der Doppler­ver­schie­bung eine andere Frequenz als Atome, die sich davon weg bewegen. Der große Fort­schritt, über den das ASACUSA-Team jetzt berichtet, wurde durch ein neues Kühl­ver­fahren erzielt, das die Atome auf Tempe­ra­turen nahe dem abso­luten Null­punkt, zwischen 1,5 und 1,7 Kelvin, bringt. „Wir benutzten dabei die Methode der Buffer­gas-Kühlung“, erklärt Hori. „Es ist über­raschend, dass dieses Ver­fahren über­haupt funktio­niert. Denn normaler­weise würde man an­nehmen, dass die Atome des Buffer­gases, wenn sie mit den zur Hälfte aus Anti­materie beste­henden Helium­atomen zusam­men­stoßen, anni­hi­lieren. Hier wird die Anni­hi­lation aber dadurch ver­hindert, dass die Anti­protonen von dem verblie­benen Hüllen­elek­tron sicher abge­schirmt werden.“ Die neuen Mes­sungen, die auf zwischen 2010 und 2104 genom­menen Daten von etwa zwei Milli­arden Atomen beruhen, zeigten, dass das Anti­proton 1836,1526734 Mal so schwer ist wie das Elek­tron. Dieser Wert ist in exzel­lenter Über­ein­stimmung mit einer kürz­lich erfolgten Mes­sung des Ver­hält­nisses von Proton- zu Elek­tron-Masse.

Die Physiker glauben, dass in der Natur eine fundamentale Symmetrie herrscht, die CPT-Invarianz. Das CPT-Theorem postu­liert, dass eine Anti­welt, in der alle Materie im Uni­versum durch Anti­materie ersetzt, rechts und links ver­tauscht und über­dies der Fluss der Zeit umge­kehrt wird, von unserer realen Welt nicht zu unter­scheiden ist. Könnte experi­men­tell ein noch so kleiner Unter­schied zwischen Materie und Anti­materie fest­ge­stellt werden, so würde das einen Bruch dieser funda­men­talen Symme­trie bedeuten. Und diese Beob­achtung könnte viel­leicht zu einer Erklä­rung führen, warum das Uni­versum, in dem wir leben, voll­ständig aus Materie besteht, obwohl doch bei seiner Ent­stehung im großen Urknall Materie und Anti­materie in gleicher Menge erzeugt wurden. „Wir sind zuver­sicht­lich, dass wir die Genauig­keit unserer Mes­sungen noch steigern können. Dafür wollen wir die Buffer­gas-Kühlung mit der Zwei-Photon-Spektro­skopie kombi­nieren, die schon für sich die durch den Doppler­effekt hervor­ge­rufenen Unge­nauig­keiten reduziert“, resü­miert Hori. Zu diesem Zweck wird am CERN schon das nächste Experi­ment mit Namen ELENA geplant.

MPQ / RK

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