Maxwellscher Dämon bei der Arbeit
Kontrolle eines Quantensystems im Nichtgleichgewicht verringert dessen Entropieproduktion.
Kann man durch die Steuerung molekularer Vorgänge dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik ein Schnippchen schlagen? Wohl kaum. Doch mit einem Maxwellschen Dämon ist es jetzt immerhin gelungen, die von einem Kernspin im Nichtgleichgewichtszustand verursachte Entropieerzeugung gezielt zu verringern. Bringt man einen warmen und einen kalten Körper in Kontakt, so gleichen sich ihre Temperaturen an und die Entropie des Gesamtsystems nimmt irreversibel zu. Wenn die nun gleich temperierten Körper wieder auf unterschiedliche Temperaturen kommen sollen, muss man Arbeit aufwenden, von der ein Teil unwiderruflich als Wärme verlorengeht. Letztlich nimmt auch hier die Gesamtentropie zu.
Abb.: Eine Störung (U) bringt das Quantensystem aus dem Gleichgewicht. Aus dem Resultat der anschließenden Zustandsmessung (M) ermittelt der Maxwellsche Dämon das geeignete Feedback (F), das die Entropieproduktion minimiert. (Bild: P. A. Camati et al.)
Doch nun kommt Maxwells Dämon ins Spiel, der angeblich auch ohne Energieaufwand Temperaturunterschiede hervorrufen kann. Dazu betätigt er eine kleine Klappe, die zwei Behälter voneinander trennt, welche Gas derselben Temperatur enthalten. Der Dämon öffnet die Klappe so, dass aus dem ersten Behälter nur sehr schnelle Moleküle in den zweiten gelangen, während er aus dem zweiten Behälter nur sehr langsame Moleküle in den ersten lässt. Schon bald ist das Gas im zweiten Behälter merklich wärmer als das im ersten. Die zum Betätigen der Klappe benötigte Energie sollte man beliebig klein machen können.
Doch die Sache hat einen Haken, weil der Dämon bei seiner Arbeit Informationen aufnehmen, speichern und verarbeiten muss. Da sein Informationsspeicher aber begrenzte Kapazität hat, muss er die Information auch wieder löschen – und das kostet Energie, die nicht beliebig klein gemacht werden kann, wie Rolf Landauer 1961 gezeigt hatte. Eine Abnahme der Entropie und eine Verletzung des 2. Hauptsatzes kann der Dämon deshalb nicht bewirken, zumindest wenn er nach den Gesetzen der klassischen Physik arbeitet.
Inzwischen kann man jedoch einzelne Moleküle, Atome und Atomkerne gezielt beeinflussen. So wird es möglich, einen Maxwellschen Dämon zu realisieren und zu testen, der nach den Gesetzen der Quantenmechanik funktioniert. Das haben jetzt Forscher um Roberto Serra von der Universidade Federal do ABC in São Paulo gemacht. Dabei haben sie gezeigt, wie sich die Entropie, die ein aus dem Gleichgewicht gebrachtes Quantensystem produziert, durch gezielte Beeinflussung verkleinern lässt. Die bei der Rückkehr des Systems ins Gleichgewicht auftretenden Schwankungen lassen sich nämlich durch Gegenmaßnahmen verringern.
Das Quantensystem, auf das der Maxwellsche Dämon wirkte, war der Spin eines Kohlenstoff-13-
Zunächst brachten die Forscher die C-13-
Diese Entropieproduktion ließ sich mit Hilfe des Maxwellschen Dämons merklich verringern. Durch die Kopplung zwischen den Kernspins erhielt das „Gedächtnis“ des Dämons (H-Kernspin) Information über den Zustand des Quantensystems (C-13-
Hatte der Dämon fehlerfrei gearbeitet, so war die erzeugte Entropie deutlich verringert. Wurde die Arbeit des Dämons jedoch künstlich gestört, indem der H-Kernspin zwischen Messung und Feedback um einen bestimmten Winkel gedreht wurde, so fiel die Verringerung der Entropieproduktion kleiner aus. Auch eine höhere Anfangstemperatur der Kernspins erschwerte die Arbeit des Dämons. Insgesamt stimmten die experimentellen Resultate gut mit den theoretischen Vorhersagen überein. Damit ist geklärt, wie die Information über ein Quantensystem im Nichtgleichgewicht mit der Verringerung der Entropieproduktion zusammenhängt, die ein Maxwellscher Dämon aufgrund dieser Information erreichen kann.
Rainer Scharf
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