13.08.2024

Megatsunami in schmalem Fjord

Bergsturz löste offenbar eine bis zu 200 Meter hohe Flutwelle aus.

Es war eine extrem hohe Welle, die am 16. September 2023 einen Fjord an Grönlands Ostküste heimsuchte: stellenweise reichten die Spuren der Überflutung 200 Meter hoch. Jetzt haben Forschende um Angela Carrillo Ponce vom Deutschen Geoforschungs­zentrum GFZ die seismischen Signale aus Erdbeben­messstationen weltweit ausgewertet und sind dabei auf einen weiteren ungewöhnlichen Umstand gestoßen: Ausgelöst durch den Mega­tsunami schwappte eine stehende Welle mehr als eine Woche lang in der engen Bucht des unbewohnten Dickson Fjordes hin und her. 

Abb.: Der Ort des Tsunamis (roter Kreis) und die nächstgelegene seismische...
Abb.: Der Ort des Tsunamis (roter Kreis) und die nächstgelegene seismische Station (Dreieck) auf Grönland, deren gefilterte Signale abgebildet sind. Darüber gelegt ist das Seismogramm, in dem vor allem der den Tsunami auslösende Felssturz als einzelne Spitze zu sehen ist.
Quelle: CCBY 4.0 Carrillo-Ponce et al. 2024 / The Seismic Record, DOI: 10.1785/0320240013

Ausgelöst hatte den Tsunami eine große Hangrutschung. Erdbeben­messstationen in bis zu 5000 Kilometern Entfernung registrierten die Erschütterung durch den Felssturz als kurzes Signal. Es gab aber auch eine langperiodische Schwingung, die mehr als eine Woche lang von den Seismo­metern aufgezeichnet wurde. Angela Carrillo Ponce, die als Doktorandin in der Sektion „Erdbeben- und Vulkanphysik“ des GFZ arbeitet, sagt: „Allein schon die Tatsache, dass das Signal einer durch einen Bergsturz ausgelösten hin und her schwappenden Welle in einem abgelegenen Gebiet Grönlands weltweit und über eine Woche lang beobachtet werden kann, ist aufregend. Deshalb hat uns in der Seismologie dieses Signal am meisten beschäftigt.“ Zum Glück, fügt die Forscherin hinzu, seien keine Menschen zu Schaden gekommen. Lediglich eine Militärbasis, die zu dem Zeitpunkt des Tsunamis ohne Personal war, wurde verwüstet.

Die Analyse der seismischen Signale zeigte, dass sich nach dem Bergsturz eine stehende Welle in dem Fjord bildete. Zunächst hatte die ins Wasser gestürzte Flanke eine Riesen­welle ausgelöst, die sich durch den gesamten Fjord bis zur vorgelagerten Insel Ella in mehr als fünfzig Kilometern Entfernung ausbreitete. In der Nähe des Eintritts­punktes des Felssturzes in den Fjord betrug die maximale Fluthöhe mehr als zweihundert Meter, entlang der Küste durch­schnittlich sechzig Meter. Teile der Welle schwappten offen­sichtlich von den steilen Ufern im engen Fjord zurück und es begann sich eine stehende Welle zu bilden, die mehr als eine Woche hin und her wogte. Diese Welle war allerdings nur rund einen Meter hoch.

Solche stehenden Wellen und die daraus resultierenden lang­periodischen Signale sind in der Forschung bereits bekannt. Sie werden normalerweise mit großen Abbrüchen von Gletscher­kanten in Verbindung gebracht. „In unserem Fall haben wir ebenfalls eine langperiodische Schwingung registriert“, sagt Angela Carrillo Ponce, „das Ungewöhnliche daran war die lange Dauer“. Besonders beeindruckend sei, dass es für die Auswertung Daten aus seismischen Stationen in Deutschland, in Alaska und anderen Teilen Nordamerikas in sehr guter Qualität gab.  

Ein Vergleich mit Satellitenbildern bestätigte, dass die Ursache der ersten seismischen Signale gut mit der Stärke und Richtung des Felssturzes übereinstimmte, der den Megatsunami auslöste. Darüber hinaus konnten die Forschenden das langsame Abklingen und die dominante Schwingungs­dauer der lang­anhaltenden Resonanzsignale modellieren. Das lässt hoffen, dass sie andere ähnliche Ereignisse aus der Vergangenheit detektieren und analysieren können. Die Vermutung liegt nahe, dass der Rückzug von Gletschern, die vormals ganze Täler ausfüllten, sowie das Auftauen von Permafrost zu vermehrten Hangrutschungen führt. Der Klimawandel beschleunigt das Abschmelzen der Gletscher und könnte so die Gefahr von weiteren Megatsunamis vergrößern.

GFZ / JOL

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