14.02.2018

Mehr Licht!

Zweite Röntgenlichtquelle geht am European XFEL in Betrieb.

Am größten Röntgenlaser der Welt, dem European XFEL in der Metropol­region Hamburg, ist jetzt die zweite Röntgen­lichtquelle erfolgreich gestartet. Die Licht­erzeugungs­strecke SASE3 erzeugte in einem der unter­irdischen Tunnel erstmals Röntgen-Laserlichtblitze. SASE3 wird zwei weitere Experimentier­stationen versorgen, die derzeit aufgebaut werden und Ende des Jahres den Nutzer­betrieb aufnehmen sollen. Seit der Inbetrieb­nahme und der Aufnahme des Forschungs­betriebs im September 2017 haben bereits 340 Wissenschaftler aus aller Welt die Anlage für ihre Forschungs­vorhaben genutzt. Die erfolgreiche Inbetriebnahme der neuen Röntgen­lichtquelle ist eine Vorauss­etzung dafür, die Zahl der Nutzer im kommenden Jahr stark zu steigern.

Abb.: Der erste Röntgenlaserstrahl im Tunnel der SASE3-Röntgenlichtquelle auf dem Bildschirm (Bild: European XFEL)

European XFEL-Geschäftsführer Robert Feidenhans’l sagte: „Aufbau und Inbetrieb­nahme der neuen Lichtquelle sind komplexe Prozesse, an denen wir und unsere Kollegen von DESY in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv gearbeitet haben. Wir freuen uns sehr, dass es uns nun auch an der zweiten Licht­quelle SASE3 reibungslos gelungen ist und dass beide Quellen SASE1 und SASE3 gleichzeitig Licht erzeugen. Dafür möchte ich allen Beteiligten und insbesondere auch dem Beschleuniger­team von DESY meinen großen Dank aussprechen. Wir sind weiter auf einem guten Weg, die vier im Aufbau befindlichen weiteren Experimentier­stationen in Betrieb zu nehmen; zunächst zwei im November, die beiden anderen Anfang 2019. Dadurch wird sich die Kapazität Mitte 2019 von bislang zwei Stationen auf dann sechs verdreifachen.“

Die neue Röntgenlichtquelle SASE3 nutzt Elektronen, die durch die Lichtquelle SASE1 geflogen sind und dort bereits Röntgen­laserlicht erzeugt haben. SASE3 erzeugt Laserlicht für die noch im Aufbau befindlichen Experimentier­stationen SQS (Small Quantum Systems) und SCS (Spectroscopy and Coherent Scattering). SQS ist auf die Erforschung fundamentaler Prozesse wie den Bruch von chemischen Bindungen in Molekülen oder die Vorgänge auf atomarer Ebene bei der gleichzeitigen Absorption von mehreren Photonen spezialisiert, SCS auf die Untersuchung von schnellen Änderungen von Material­eigenschaften, beispielsweise bei magnetischen Materialien, Hoch­temperatur-Supraleitern oder auch biologischen Proben. Die Forschung an den Stationen ist Grundlagen­forschung, hat jedoch auch Bedeutung beispielsweise für die Entwicklung neuer Materialien für die IT, Medizin, Energie­forschung oder Katalyse.

Winni Decking, bei DESY zuständig für den Betrieb des European XFEL-Beschleunigers, erklärte: „Das erste Röntgen­laserlicht an SASE3 ist ein besonderer Moment für die Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler, die über viele Jahre mit Akribie und Sorgfalt die Anlage aufgebaut haben. Dass wir diesen Meilenstein so kurz nach der ersten Nutzer­zeit erreicht haben, zeigt auch, wie hervorragend das Inbetrieb­nahme-Team von DESY und European XFEL eingespielt ist.“

Das Röntgenlaserlicht des European XFEL ist extrem intensiv und milliarden­fach heller als das von herkömmlichen Synchrotron-Lichtquellen. Der European XFEL ist der einzige Röntgen­laser weltweit, der bis zu 27.000 Licht­blitze pro Sekunde erzeugen kann. Voraussetzung dafür ist die bei DESY entwickelte supra­leitende Beschleuniger­technologie, die beim European XFEL eingesetzt wird. Die Röntgen­lichtblitze werden in Tunneln von stark beschleunigten und sehr energiereichen Elektronen­paketen erzeugt, die in extrem kurzen Abständen aufeinander folgen. Bis zu 200 Meter lange Undulator­systemen bringen die beschleunigten Elektronen auf einen engen Slalomkurs. Bei jeder Richtungs­änderung geben die Elektronen­pakete Röntgen­lichtblitze ab, die sich auf der Slalom­strecke lawinen­artig verstärken.

SASE3 ist eins von derzeit drei Undulator­systemen am European XFEL. SASE1 hatte im Mai 2017 das erste Röntgenlicht am European XFEL erzeugt, jetzt folgte plangemäß SASE3. Das „first lasing“ von SASE2 ist für Mitte des Jahres geplant. SASE1 und SASE2 sind 200 Meter lang, weitgehend baugleich und erzeugen extrem kurzwelliges Röntgen­licht. Das hinter SASE1 installierte System SASE3 ist mit 120 Metern etwas kürzer und liefert lang­welligeres Licht.

Die erreichbare Wellenlänge von SASE1 und SASE 2 entspricht in etwa der Größe von Atomen. Man kann daher mit atomarer Auflösung Bilder und Filme im Nano­kosmos aufnehmen – beispielsweise von Bio­molekülen, die für die Entstehung von Krankheiten oder die Entwicklung von Therapien von Bedeutung sind.

Beim „first lasing“ lieferte SASE3 Röntgenlicht mit einer Wellenlänge von 1,4 Nanometern (900 Elektronen­volt) – das ist etwa 600 mal kürzer als die Wellenlänge von sichtbarem Licht. Die Inbetrieb­nahme erfolgte mit 20 Pulsen pro Sekunde, später werden es bis zu 27.000 sein. Eine Besonderheit ist, dass die beschleunigten Elektronen zunächst für die Laser­licht­erzeugung in SASE1 und anschließend zur Licht­erzeugung in der mehrere hundert Meter dahinter liegenden Röntgen­lichtquelle SASE3 genutzt wurden, so dass beide Licht­quellen gleichzeitig Röntgen­strahlung lieferten. Der geplante gleich­zeitige Betrieb mehrerer, teilweise hinter­einander geschalteter, Röntgen­lichtquellen und der an sie angeschlossenen Experimentierstationen ist ein weiteres Allein­stellungs­merkmal des European XFEL, das wegen der hohen inter­nationalen Nachfrage nach Experimentier­zeit von großer Bedeutung ist.

European XFEL / DE

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