26.08.2024

Methanol als Speichermedium

Alkohol könnte zu einem Standbein der Energiewende werden.

Effiziente Speicher­technologien sind eine tragende Säule eines regenera­tiven Energie­systems, um überschüssigen Strom zwischen­zuspeichern. Methanol könnte in diesem Zusammen­hang eine wichtige Rolle zukommen. Die große Frage dabei ist, wie sich solche Power-to-Methanol-Systeme in eine künftige Infra­struktur der Erneuer­baren integrieren und wirt­schaftlich betreiben lassen. Eine Antwort darauf hat Stefan Fogel vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf HZDR durch aufwendige Modellierung und umfang­reiche Simulationen während seiner Disser­tation gefunden.

Abb.: Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen trifft im Methanolreaktor auf...
Abb.: Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen trifft im Methanolreaktor auf Kohlenstoffdioxid. Im Ergebnis entsteht Methanol, das sich als Energiespeicher nutzen oder direkt in der chemischen Industrie einsetzen lässt.
Quelle: HZDR / Blaurock Markenkomm.

Die unstete Verfügbarkeit von Sonne und Wind stellt ein zukünftiges Energie­system, das auf erneuer­baren Quellen beruht, vor große Heraus­forderungen. Herrschen beste Wetter­bedingungen, wird mitunter mehr Strom generiert, als das Netz abnehmen kann. Damit die Anlagen dann nicht gedrosselt werden müssen, sind kluge Speicherlösungen gefragt. Eine davon könnte Power-to-Methanol sein. Mit dieser wird Überschuss­strom aus Solaranlagen oder Windparks zuerst in Wasserstoff und dann zusammen mit Kohlen­dioxid-Emissionen aus Industrie­prozessen in den einfachsten Vertreter der Alkohole umgewandelt.

„Methanol ist ein sehr guter Energie­speicher und hat auf das Volumen bezogen im Vergleich zu Wasserstoff eine viel höhere Energie­dichte“, sagt Stefan Fogel vom HZDR-Institut für Fluiddynamik. „Als Flüssigkeit lässt es sich auch wesentlich einfacher transportieren und speichern.“ Das macht den Alkohol einerseits zu einem idealen Speichermedium. Anderer­seits ist er aber auch ein wichtiger Grundstoff in der Chemie­industrie. Wie sich der Herstellungs­prozess aber in ein rege­neratives Energie­system integrieren lässt, ist noch nicht umfassend erforscht. 

„Arbeiten zur stationären und dynamischen Modellierung und Simulation von Power-to-Methanol-Prozessen auf Basis von Hochtemperatur-Elektrolyseuren sind in der wissen­schaftlichen Literatur bisher stark unter­repräsentiert“, erklärt der Chemie­ingenieur. „Gleiches gilt für deren wirtschaftliche Bewertung.“ Deshalb hat sich Fogel für seine Arbeit auf eben jene Elektrolyse-Systeme fokussiert, die bei Betriebs­temperaturen über 600 Grad Celsius reinen Wasserstoff erzeugen. Dieser wird ohne weiteren Separations­aufwand direkt in der Synthese­stufe genutzt. Das ist effizienter als die heute etablierten Techno­logien wie zum Beispiel die alka­lische Elektro­lyse.

Den digitalen Zwilling, den er dabei vom Power-to-Methanol-System modelliert hat, nutzte er für umfassende Simu­lationen. „Ich habe mir angeschaut, was passiert, wenn man das System dynamisch betreibt“, geht er ins Detail. Die Frage ist besonders im Hinblick auf regenerative Energien essentiell. Denn heutige Elektro­lyseure werden üblicherweise für einen Betrieb rund um die Uhr ausgelegt. Doch dezentral an einem Windpark oder einer Photo­voltaik-Anlage angeschlossen, würden die Systeme nur in Zeiten von Energieüberschuss arbeiten. Das bringt einerseits technische Heraus­forderungen mit sich, beeinflusst aber andererseits auch wesentlich die Kosten für das produzierte Methanol. „Dabei hat sich gezeigt, dass man einen solchen Prozess durchaus flexi­bilisieren kann“, erläutert Fogel. „Es wäre in Zukunft also möglich, eine Power-to-Methanol-Anlage mit einer Photo­voltaik- oder Windkraft-Anlage zu koppeln, im Teillast­betrieb zu fahren und trotzdem kompetitive Produktions­kosten zu erzielen.“

Dass man von diesem Punkt heute allerdings noch weit entfernt ist, zeigt seine techno-ökonomische Bewertung der aus den Simu­lationen gewonnenen Daten. Denn die ergab, dass die Kosten für das Methanol unabhängig von den Prozess­verschach­telungen und den eingesetzten Techno­logien aktuell nicht konkurrenz­fähig sind. Das liegt in erster Linie daran, dass fossile Rohstoffe durch die über Jahrzehnte aufgebaute Infra­struktur heute noch konkurrenzlos billig sind. „Durch die Elektrolyse-Techno­logie entstehen massive Kapitalkosten für die Inves­titionen in diese Anlagen“, weiß Fogel. „Bis zu siebzig Prozent der Kosten entfallen auf die Investition. Die eigentlichen Produktions­kosten sind am Ende gar nicht so hoch.“

Das sieht der Forscher allerdings nur als vorüber­gehende Phase an, die jede neue Techno­logie durchlaufen müsse. Denn sollte der Markt für Power-to-Methanol in den kommenden Jahren hochlaufen, würden Skalen­effekte die Kosten reduzieren. „Ich habe in meiner Arbeit auch untersucht, wie sich das Thema in den kommenden zwanzig Jahren entwickeln könnte“, betont der Chemieingenieur. Dazu führte er eine umfangreiche Literatur­recherche durch und projizierte die Kosten in die Zukunft. Das Ergebnis: Es wird eine drastische Kosten­reduktion geben. „Im Jahr 2050 könnten wir mit dem Power-to-Methanol-Prozess den Punkt erreicht haben, an dem wir mit den fossilen Energie­trägern gleichauf liegen.“ Für seine Dissertation erhielt Stefan Fogel den Franz Stolze-Preis 2024 der TU Dresden.

HZDR  / JOL

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