15.08.2023 • Umweltphysik

Mikroplastik auf der Spur

Automatisierte Analysemethode auf Basis der Raman-Mikrospektroskopie identifiziert und quantifiziert die winzigen Partikel.

Mikroplastik ist in der Umwelt allgegen­wärtig. Die winzigen Teilchen mit einer Größe von unter fünf Millimetern können außerdem Schad- und Giftstoffe aufnehmen und trans­portieren. „Wir benötigen dringend Analyse­methoden, die Auskunft geben über die Größe, Konzentration und Zusammen­setzung der Partikel“, erklärt Natalia Ivleva von der TU München. Zusammen mit ihrem Team hat die Wissen­schaftlerin dafür ein neues Verfahren entwickelt.

Abb.: Natalia Ivleva von der TU München hat mit ihrem Team neue Verfahren zur...
Abb.: Natalia Ivleva von der TU München hat mit ihrem Team neue Verfahren zur Analyse von Mikro­plastik entwickelt. (Bild: A. Hedder­gott, TU München)

Um das Mikroplastik zu detektieren, mussten die Forscher mehrere Hürden überwinden: Das erste Problem ist die geringe Konzentration der Partikel. Flusswasser zum Beispiel enthält jede Menge Schwebstoffe und feinen Sand, nicht einmal ein Prozent der Partikel sind aus Kunststoff. Diese Teilchen gilt es zu isolieren, dann muss deren Konzentration bestimmt werden und schließlich die chemische Zusammen­setzung. Bisher wurden hierfür Analyse­methoden eingesetzt, bei denen die Proben erhitzt und die Zersetzungs­produkte untersucht wurden. Anzahl, Größe und Form der Plastik-Partikel ließen sich auf diese Weise nicht ermitteln.

„Unser Ansatz ist grundlegend anders“, betont Ivleva. „Wir arbeiten partikel­basiert, das heißt, wir zerstören die Teilchen nicht, sondern untersuchen sie direkt.“ Dabei nutzen die Forscher die Raman-Mikro­spektro­skopie, bei der mit Hilfe eines Lasers mono­chroma­tisches Licht von den Molekülen einer Probe gestreut wird. Durch Vergleich des gestreuten mit dem einge­strahlten Licht lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die untersuchte Substanz. Um Plastik-Partikel mit mehr als einem Mikrometer Durchmesser auf diese Weise zu analysieren, müssen die Kunststoff-Teilchen aus der wässrigen Lösung heraus­ge­filtert, unter dem Mikroskop detektiert und dann mit Laserlicht beleuchtet werden. Weil Kunststoffe wie Polyethylen, Polystyrol oder Polyvinylchlorid die Photonen auf charakte­ristische Weise streuen, erzeugen sie jeweils spezifische Signale, die sich wie ein Finger­abdruck zuordnen lassen.

Die Entwicklung des Nachweis­verfahren hat Jahre gedauert. „Als wir angefangen haben, waren manuelle Messungen erforderlich“, so die Forscherin. „Da haben wir Monate gebraucht, um ein paar Tausend Partikel zu untersuchen.“ Mittlerweile ist es dem Team gelungen, den Nachweis von Mikroplastik zu automa­ti­sieren. Eine Analyse dauert nicht mehr Wochen, sondern nur noch Stunden. Man muss die winzigen Partikel zwar immer noch aus einer wässrigen Probe heraus­filtern und den Filter unter das Raman-Mikro­spektroskop legen, doch alles Weitere steuert eine eigens entwickelte Software: Die Kunststoff­teilchen werden zunächst lichtmikroskopisch lokalisiert, fotografiert und vermessen, wobei Partikel und Fasern unterschieden werden.

Das Computerprogramm berechnet aus diesen Daten die Anzahl von Partikeln und Fasern sowie die Auswahl von Bild­aus­schnitten für die anschließende Raman-Spektroskopie, die für ein statistisch signifikantes Ergebnis benötigt werden. Im nächsten Schritt fällt Laserlicht auf die Probe, die Streuung wird detektiert und ausgewertet. Anzahl, Größe, Form und Zusammen­setzung von Mikroplastik lässt sich auf diese Weise schnell und zuverlässig analysieren. Die Software „TUM-Particle Typer 2“ ist Open Source basiert und kann ab sofort von Forschern auf der ganzen Welt genutzt werden.

Um auch Partikel untersuchen zu können, die Durchmesser von weniger als einem Mikrometer aufweisen, arbeitet das Team bereits an einem modifizierten Verfahren. „Solche Nanoteilchen sind unter einem Lichtmikroskop nur schwer oder gar nicht zu detektieren. Um die Partikel nachweisen zu können, müssen wir sie zuerst nach Größe fraktio­nieren und dann identi­fi­zieren“, erklärt die Forscherin.

Hierfür wird ein System für Feldfluss­fraktio­nierung verwendet. Dieses erzeugt einen Wasserstrom, der die Partikel erfasst und – abhängig von ihrer Größe – schneller oder langsamer transportiert und auf diese Weise trennt. Eine speziell entwickelte Vorrichtung erlaubt in Kombination mit Raman-Mikro­spektro­skopie die chemische Charakte­ri­sierung von unter­schied­lichen Arten von Nanoplastik.

„Die neuen Analyseverfahren ermöglichen eine schnelle und genaue Unter­suchung der Konzentration, Größe und Zusammen­setzung von Mikro- und Nanoplastik“, resümiert Ivleva. „Damit wird es künftig möglich sein, auch den Einfluss dieser Partikel auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu erforschen.“

TUM / RK

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