Mikroskop aus dem 3D-Drucker
Open-Source-Projekt ermöglicht günstigen Selbstbau von Laborausstattung.
Tübinger Neurowissenschaftler haben ein kostengünstiges Laborsystem für den Selbstbau entwickelt. In der Neurowissenschaft ist die Laborausrüstung oft der größte Kostenfaktor dabei liefern auch Experimente mit selbstgebauten Setups aus dem 3D-Drucker und mit selbst programmierter Elektronik gute Resultate. Das von André Maia Chagas und Tom Baden entwickelte „FlyPi“-System ist für alltägliche Laborarbeiten wie Licht- und Fluoreszenzmikroskopie, Optogenetik, Thermogenetik und Verhaltensstudien an Kleintieren geeignet. Als modulare, preiswerte Lösung ist es in der Forschung, aber auch für Ausbildung und Unterricht einsetzbar. Bau- und Bedienungsanleitungen stehen kostenfrei auf Open-Source-Plattformen zur Verfügung.
Abb.: Das Gerüst des FlyPi-Systems lässt sich im 3D-Drucker herstellen und selbst montieren, Elektronik und motorisierte Teile mithilfe von Open-Source-Software selbst programmieren. (Bild:T. Baden, CIN)
In der modernen Neurowissenschaft liefern kleine Tiere große Erkenntnisse über Funktionen des Nervensystems. Die durchsichtigen Larven von Zebrafischen, die Fruchtfliege Drosophila, oder der Rundwurm Caenorhabditis elegans können leicht in großer Zahl gehalten werden. Vor allem aber wurde ihr Genom vollständig sequenziert, was genetische Modifikationen ermöglicht, etwa für die Optogenetik: Bei dieser Methode werden Nervenzellen genetisch programmiert, auf Licht zu reagieren. Mit Lichtimpulsen können dann Hirnareale oder einzelne Nervenzellen im lebenden Organismus geschaltet werden. So können Zellen, die bestimmte Körperfunktionen und Verhalten steuern, genau identifiziert werden. Die aufwändige Einrichtung für solche Experimente umfasst unter anderem Lichtquellen definierter Wellenlänge und regelbarer Intensität, leistungsstarke Kameras und Mikroskope und eine maßgeschneiderte „Arena“ zur Verhaltensbeobachtung: Ein Labor kann leicht zehn- oder hunderttausende Euro für den Erwerb kommerzieller Lösungen ausgeben. Spitzenwissenschaft und die zugehörige Ausbildung bleiben so auf gut ausgestattete Institute in reichen Ländern beschränkt.
In einer gemeinsamen Initiative haben deshalb Neurowissenschaftler des Tübinger Werner Reichardt Centrums für Integrative Neurowissenschaften (CIN) und des Forschungsinstituts für Augenheilkunde sowie der University of Sussex in Brighton den „FlyPi“ vorgestellt. Dessen Design beruht auf einem 3D-gedruckten Rahmen, in dem Computer und eine Kamera der Marke Raspberry Pi sowie günstige LEDs zur Beleuchtung und einfache Linsen verbaut sind. Dazu kommen optische und thermische Kontrollelemente, die auf Arduino basieren, einer Open-Source-Plattform für elektronische Prototypen. Zusammen kosten die Bauteile weniger als 100 Euro. Das Basissystem kann mit weiteren Komponenten ausgestattet werden, die den Preis gerade einmal verdoppeln.
Zwar sind kommerzielle Produkte in mancher Hinsicht höher entwickelt, Fluoreszenzmikroskopie mit FlyPi etwa liefert Auflösungen im Mikrometer-Bereich, während Spitzen-Konfokal- oder Zwei-Photonen-Mikroskope Zehntelmikrometer erreichen. Jedoch kosten solche zehnmal höher auflösenden Geräte auch bis zum 5.000-fachen eines FlyPi, das viele Standardaufgaben im Labor sehr gut erfüllen kann und sich überdies für Lehrzwecke eignet. Durch seinen modularen Aufbau können einzelne Komponenten auch durch hochwertigere Teile ersetzt werden, um beispielsweise die Auflösung zu verbessern.
Die Entwickler André Maia Chagas and Tom Baden setzen sich stark für die Verbreitung von „Open Labware“ ein: So nennt die wachsende Gemeinde, die sich für Open Source, Eigenkreationen und Tüftelei begeistert, solche Projekte. Seit Jahren geben sie gemeinsam mit Lucia Prieto Godino von der Universität Lausanne Kurse in 3D-Druck, Programmierung und Laborgeräte-Bau an Universitäten in Kenia, Uganda, Ghana, Nigeria, Südafrika, Sudan und Tansania. „Diese Institutionen haben wenig Geld für teure Laborausstattung“, sagt Baden. „Wir finden es sehr wichtig, dass Studium und neurowissenschaftliche Forschung auch in diesen Schwellenländern für eine größere Zahl von Studierenden und Wissenschaftlern möglich werden. Daher hoffen wir, dass wir dafür mit Open Labware wie unserem FlyPi einen Ansatzpunkt liefern können.“
CIN / JOL