30.04.2021

Mit einer Prise Stickstoff und künstlicher Intelligenz

Laser-Plasmabeschleuniger machen wichtigen Schritt zur praktischen Anwendbarkeit.

Gleich zwei Meilensteine in der Entwicklung innovativer Plasma­beschleuniger konnte das LUX-Team bei DESY feiern. Die Forscher von Universität Hamburg und DESY erprobten an ihrem Beschleuniger eine Technik, in der die Energieverteilung der erzeugten Elektronenstrahlen besonders klein gehalten werden kann. Zudem brachten sie den Beschleuniger mit Hilfe künstlicher Intelligenz dazu, seinen Betrieb selbst zu optimieren. „Es ist phantastisch, zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit die neue Technologie der Plasma­beschleunigung mehr und mehr die Reife zu einer Vielzahl von Anwendungen erlangt“, gratuliert Wim Leemans, Direktor des Beschleuniger­bereichs bei DESY.

 

Abb.: Bei der Laser-Plasma-Beschleunigung treibt ein intensiver Laserpuls (rot)...
Abb.: Bei der Laser-Plasma-Beschleunigung treibt ein intensiver Laserpuls (rot) in einem ionisierten Gas eine aus Elektronen (weiß) bestehende Plasma­welle. Ein Elektronen­paket (Mitte), das auf dieser Welle „surft“, wird so enorm beschleunigt. (Bild: DESY / SciComLab)

Die Plasmabeschleunigung ist eine innovative Technologie für eine neue Generation von Teilchen­beschleunigern, die nicht nur besonders kompakt, sondern auch extrem vielseitig einsetzbar sind. Ziel ist es, die beschleunigten Elektronen für verschiedene Anwendungsfelder in Industrie, Wissenschaft und Medizin zu erschließen.

Die Beschleunigung geschieht in einem winzigen, nur wenige Millimeter langen Kanal, der mit Plasma gefüllt ist. Ein intensiver Laserpuls regt darin eine Welle an. Elektronen aus dem Plasma können von dieser Welle eingefangen und beschleunigt werden. „Ähnlich wie ein Surfer werden die Elektronen von der Plasmawelle mitgenommen und so zu hohen Energien beschleunigt“, erklärt Manuel Kirchen. „Plasma­beschleuniger können auf diese Weise eine bis zu tausendfach höhere Beschleunigung erreichen als die stärksten Maschinen, die heute im Einsatz sind“, ergänzt Sören Jalas.

Die Kompaktheit ist allerdings Fluch und Segen zugleich: Da die Beschleunigungs­vorgänge auf einem im Vergleich zu den herkömmlichen Großgeräten winzigen, bis zu 1000-fach kleineren Raum konzentriert sind, findet die Beschleunigung unter extremen Bedingungen statt. Daher gilt es noch einige Heraus­forderungen zu meistern, bis die neue Technologie Serienreife erlangt.

An der Testanlage LUX – einem gemeinsamen Projekt von DESY und Universität Hamburg – hat das Forschungsteam um DESY-Beschleuniger­physiker Andreas Maier jetzt gleich zwei kritische Meilensteine erreicht: Sie haben ein Rezept gefunden, um die Energie­verteilung der beschleunigten Elektronen­pakete deutlich zu reduzieren – eine der wesentlichsten Eigenschaften für viele potenzielle Anwendungen. Dazu haben sie für den Beschleuniger einen selbst­lernenden Autopiloten programmiert, der LUX automatisch zu Höchst­leistungen optimiert.

Ihre Experimente führte die Gruppe mit einer eigens entwickelten neuen Plasmazelle durch, deren Plasmakanal in zwei Bereiche getrennt war. Im vordersten Teil der rund zehn Millimeter langen Zelle wurde das Plasma aus einem Gemisch aus Wasserstoff und Stickstoff erzeugt, während der hintere Teil mit reinem Wasserstoff gefüllt war. So schafften es die Forscher, zunächst aus dem vorderen Teil der Plasmazelle Elektronen für ihr Teilchenpaket zu gewinnen, die dann über den gesamten hinteren Teil der Zelle beschleunigt werden. „Die stärker gebundenen Stickstoff-Elektronen werden etwas später freigesetzt und dadurch optimal von der Plasmawelle beschleunigt“ erklärt Manuel Kirchen. Das Teilchen­paket absorbiert zudem Energie von der Plasmawelle und verändert dadurch deren Form. „Diesen Effekt konnten wir uns zu Nutze machen und die Form der Welle so anpassen, dass die Elektronen unabhängig von ihrer Position in der Welle die gleiche Energie erreichen“, ergänzt Kirchen.

Basierend auf diesem Rezept zum Erreichen hoher Elektronenstrahl­qualität gelang dem Team dann gleich ein zweiter Erfolg: Sören Jalas und seine Kollegen konnten das komplexe System des Plasma­beschleunigers mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) von einem Algorithmus steuern und optimieren lassen. Hierfür gaben die Forscher dem Algorithmus ein Funktionsmodell des Plasma­beschleunigers und einen Satz von einstellbaren Parametern vor, die der Algorithmus dann selbstständig optimierte. Im Wesentlichen justierte das System fünf Haupt­parameter – etwa Konzentration und Dichte der Gase oder Energie und Fokus des Lasers – und suchte mit den zugehörigen Mess­ergebnissen nach einem Optimum in der Qualität des Elektronen­strahls. „Bei diesem Balance­akt im fünfdimensionalen Raum lernte der Algorithmus stets dazu und verfeinerte das Modell des Beschleunigers sehr schnell immer weiter“, so Jalas. „Zum Vergleich: Die KI braucht etwa eine Stunde, um ein stabiles Optimum im Beschleuniger­betrieb zu finden; wir Menschen bräuchten dafür nach unseren Schätzungen über eine Woche.“

Ein weiterer Vorteil: Alle Parameter und Mess­größen trainieren das KI-Modell des Beschleunigers weiter und machen seine Optimierung schneller, systematischer und zielführender. „Mit den jüngsten Fortschritten an LUX sind wir auf einem guten Weg, testweise erste Anwendungen auszuprobieren“, erklärt Andreas Maier, der bei DESY die Laserentwicklung für Plasma­beschleuniger leitet. „Letztendlich wollen wir mit plasma­beschleunigten Elektronen­paketen auch einen Freie-Elektronen-Laser betreiben können.“

An den Experimenten waren Forscher des Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer Kooperation von DESY, der Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft, beteiligt, außerdem ein Kollege des Lawrence Berkeley Labors in Kalifornien.

DESY / DE

 

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