Mit großen Schritten zum Quantencomputer
IBM und Yale trumpfen bei supraleitenden Quantenbits mit erhöhten Phasenkohärenzzeiten und dem Nachweis der Quantenfehlerkorrektur auf.
Wie lange müssen wir noch auf den ersten voll funktionsfähigen Quantencomputer warten? Forscher bei IBM und an der Yale University haben jetzt mit supraleitenden Qubits Resultate erzielt, die optimistisch stimmen, dass innnerhalb der nächsten Jahrzehnte mit Quanten gerechnet werden kann: Die Qubits speichern Quanteninformationen lange genug, um Rechenoperationen mit Fehlerkorrektur durchzuführen. Das ist eine Kernvoraussetzung für den Betrieb eines Quantenrechners.
Abb.: Der IBM-Siliziumchip mit drei supraleitenden Qubits. (Bild: IBM)
Im Gegensatz zu herkömmlichen Rechnern verarbeitet der Quantencomputer keine Bits, die nur die diskreten Werte 0 oder 1 annehmen können, sondern Quantenbits oder Qubits. Sie können in einer quantenmechanischen Überlagerung zweier ausgewählter Zustände (0) und(1) sein, also die beiden Zustände gewissermaßen gleichzeitig annehmen. Dadurch könnte ein Quantencomputer, der 1000 Qubits speichert und verarbeitet, mit 21000 oder 10300 Bits gleichzeitig jonglieren. Er könnte innerhalb von Sekunden Berechnungen durchführen, für die ein herkömmlicher Computer Jahrmillionen benötigte.
Hier muss man jedoch einige Einschränkungen machen. Will man den Output für eine Berechnung des Quantencomputers erhalten, muss man seine Qubits messen. Für das genannte Beispiel erhielte man dann 1000 Bits als Resultat. Die übrige Quanteninformation ginge verloren. Daher zeigen sich die Stärken des Quantencomputers nur bei der Lösung bestimmter komplexer Probleme mit Hilfe spezieller Algorithmen. Zudem müssen die Rechenoperationen sehr schnell gehen, da störende Umwelteinflüsse zunächst die Phasen der Qubits zerstören und schließlich alle Qubits in den Grundzustand (0) bringen.
Festkörper-Qubits, die mit elektronischen Bauelementen realisiert werden, könnte man mit Verfahren der Halbleitertechnologie herstellen und in großer Zahl zu einem skalierbaren Quantencomputer zusammenfügen. Doch diese Qubits sind sehr störanfällig. Zu ihnen zählen auch die supraleitenden Qubits, die aus einem supraleitenden Metallring bestehen, der von dünnen Isolatorschichten unterbrochen wird. Sie nutzen den Josephson-Effekt aus, wobei sich das supraleitende Kondensat der elektronischen Cooper-Paare in unterschiedlichen Quantenzuständen befinden kann. Zwei dieser Zustände werden zum Abspeichern der Qubits verwendet.
Ende 2011 hatten Robert Schoelkopf von der Yale University und seine Kollegen ein „dreidimensionales“ supraleitendes Qubit präsentiert, dessen Phasenkohärenzzeit mit 20 Mikrosekunden ungewöhnlich groß war. Das Qubit bestand aus einem Josephson-Ring, der zusammen mit einer millimetergroßen Dipolantenne auf einem Saphirplättchen saß. Dieses befand sich wiederum in einem Streichholzschachtel großen Hohlraum aus supraleitendem Aluminium. Durch zwei Öffnungen in der Wand des Hohlraums konnten über Wellenleiter Mikrowellen in ihn eingespeist bzw. aus ihm herausgeleitet werden. Auf diese Weise ließ sich das Qubit in den gewünschten Zustand bringen bzw. die Entwicklung seines Zustandes verfolgen. Der klobige „dreidimensionale“ Hohlraum unterdrückte unerwünschte Strahlung, die vom Qubit ausging, sodass sein Quantenzustand länger erhalten blieb.
Abb.: Dreidimensionales supraleitendes Qubit, das im Innern eines Hohlraums auf einem kleinen Saphirchip sitzt. (Bild: IBM)
IBM-Forscher um Matthias Steffen vom Watson Research Center in Yorktown Heights haben die „dreidimensionalen“ supraleitenden Qubits jetzt erheblich verbessert. Dazu haben sie den Hohlraum aus hochgradig leitfähigem sauerstofffreien Kupfer herstellt. Verglichen mit dem supraleitenden Aluminiumhohlraum erhöhte sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass ein vom Qubit kommendes informationstragendes Photon verlorenging, bevor es registriert werden konnte. Doch zugleich wurden auch die thermischen Photonen absorbiert, die von außen in den Hohlraum eindrangen und die Phasenkohärenz des Qubits störten. So erreichten die Forscher, dass die Phasenkohärenzzeit 95 Mikrosekunde und die Energierelaxationszeit 70 Mikrosekunden betrug. Das IBM-Qubit „lebte“ also etwa viermal so lang wie das Yale-Qubit. Damit bleibt im Prinzip genug Zeit, durch Quantenfehlerkorrektur, verlorene Information mit Hilfe von zusätzlichen Qbits wiederherzustellen.
Wozu Schaltkreise aus „zweidimensionalen“ supraleitenden Qubits (d. h. ohne einen sie umschließenden Hohlraum) schon heute in der Lage sind, haben die Yale- und die IBM-Gruppe jetzt demonstriert. Schoelkopf und seine Kollegen in Yale haben mit drei Qubits eine Quantenkorrektur durchgeführt. Dazu haben sie einen Ein-Qubit-Zustand als verschränkten Zustand von drei Qubits realisiert. So wurde es möglich, Phasen- oder Bitflips eines Qubits rückgängig zu machen. Das dafür benutzte Toffoli-Gatter benötigte 63 Nanosekunden und hatte eine Zuverlässigkeit oder „Fidelity“ von 85 Prozent.
Die IBM-Forscher führten mit zwei „zweidimensionalen“ supraleitenden Qubits verschiedene Operationen durch, wie Drehungen oder das kontrollierte CNOT, das 190 Nanosekunden benötigte. Dabei erreichten sie eine Fidelity von 95 Prozent. Hier schlug unter anderem die vergleichsweise große Phasenkohärenzzeit dieser Qubits von ca. 10 Mikrosekunden positiv zu Buche. Matthias Steffen und seine Kollegen sind zuversichtlich, dass sie schon bald mit supraleitenden Qubits eine effiziente Fehlerkorrektur und verlässliche Rechenoperationen durchführen können. Der skalierbare Quantencomputer läge dann nicht mehr in ferner Zukunft sondern nähme konkrete Gestalt an.
Rainer Scharf