Mit Innovationen aus der Krise
Partnerschaften sind entscheidend, damit risikoreiche Durchbruchsinnovationen erfolgreich sind. Von Hans-Jörg Bullinger
Physik Journal - Partnerschaften sind entscheidend, damit risikoreiche Durchbruchsinnovationen erfolgreich sind. Von Hans-Jörg Bullinger
Die Bedeutung von Innovationen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wird immer noch unterschätzt. Doch gerade in der Krise der Finanzwirtschaft gilt es sich darauf zu besinnen, wie reale Werte geschaffen werden - durch innovative Produkte und Dienstleistungen, die sich durch technischen Vorsprung und hohe Qualität auszeichnen. Robert Solow, der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, hat nachgewiesen, dass bis zu 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf die Einführung neuer Technologien zurückgehen. Und für ein Hochlohnland wie die Bundesrepublik, das über keine Rohstoffe, sondern nur gut ausgebildete Menschen verfügt, gibt es keine Alternative zu einer Innovationsstrategie. Vor allem aber geht es darum, nicht nur Märkten zu folgen, sondern auch selbst Zukunftsmärkte zu gestalten. Neue Technologien liefern die Basis dafür.
In Zeiten schnellen Wandels ist Geschwindigkeit wichtiger als Größe. Konnten Unternehmen früher lange Zeit mit einem neuen Produkt Gewinne produzieren, müssen sie heute ständig neue Generationen auf den Markt werfen, auch wenn das aktuelle Produkt noch gar nicht veraltet ist. Die Phasen des Festhaltens am Bewährten sind - wenn überhaupt zugelassen - sehr kurz. Doch Geschwindigkeit muss beherrschbar bleiben. Die deutschen Unternehmer stehen in der aktuellen Krise vor dem klassischen Problem: Wie können sie den Übergang von einer erfolgreichen Art des Wirtschaftens zu einer anderen meistern - und zwar möglicht schnell?
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Fähigkeit zur Technologieentwicklung zu steigern, denn in Zeiten weltweit verfügbaren Wissens kommt es darauf an, wer als erster neue Technologien in erfolgreiche Produkte umsetzt. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren Methoden und Software-Werkzeuge entwickelt und in der Praxis erprobt, mit denen sich die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft nachhaltig stärken lässt: Das „TechnologieRadar“ unterstützt Unternehmen dabei, neue Technologien zu identifizieren und ihre Anwendbarkeit für die Entwicklung neuer Produkte zu bewerten. Das „Innovationsaudit“ analysiert und bewertet die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und leitet darauf aufbauend Empfehlungen ab, mit denen sich das Innovationsmanagement optimieren lässt. Entscheidend ist für Unternehmen, dass sie bei der Entwicklung ihrer Technologiestrategie untersuchen, mit welchen technologischen Mitteln eine wettbewerbs-differenzierende Wirkung am Markt erzielt werden kann.
Andere Länder nutzen oft schneller die in Deutschland erfundenen Technologien und entwickeln daraus erfolgreiche Produkte, Verfahren oder Geschäftsmodelle. Die neu entwickelten Methoden können deutschen Unternehmen helfen, dem beschleunigten Tempo der globalen Märkte zu folgen. Und der Innovationsdruck auf die Unternehmen steigt stetig an, doch ebenso das Risiko zu scheitern.
Der wichtigste Hebel, um das Innovationstempo zu erhöhen, liegt in der Vernetzung. Wie sehr Vernetzung und Steigerung von Innovationen zusammenhängen, haben wir in mehreren Untersuchungen nachgewiesen. Die Auswertung der größten Benchmarking-Datenbank im Bereich Innovationsmanagement mit mehr als 1600 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa ergab: Enge Vernetzung führt zu höheren Wachstumsraten. Die Wachstumschampions - die am schnellsten und profitabelsten wachsenden Unternehmen - binden Partner über den gesamten Innovationsprozess hinweg eng ein. Stark vernetzte Unternehmen erzielen 7,1 Prozent Umsatzwachstum, wenig vernetzte dagegen nur 3,2 Prozent. Stark vernetzte Unternehmen generieren mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes aus Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, die jünger als drei Jahre sind. Fazit: Die Wachstumschampions setzten auf eine relativ breite „Ideenbasis“ und ziehen mehr als vier externe Quellen heran. Partnerschaften sind die entscheidende Voraussetzung, um risikoreiche Durchbruchs-Innovationen zu initiieren und umzusetzen.
Das Unternehmen der Zukunft ist mit Kunden und Partnern vernetzt. Weltweite Netzwerke spielen eine ebenso entscheidende Rolle wie regionale Cluster. Wo die räumliche Nähe von öffentlichen Forschungsorganisationen, Unternehmen und Investoren genutzt wird, um Wissensaustausch zu beschleunigen und verteilte Kompetenzen zu kombinieren, entstehen Brutstätten für Innovation. Netzwerke wie die Fraunhofer-Innovationscluster erzeugen durch ihre Fokussierung auf die regionalen Stärken die kritische Masse, die nötig ist, um in globalisierten Märkten herausragen zu können. Nur gemeinsam kommt die deutsche Wirtschaft schneller aus der Krise.
Meinung von Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft
Quelle: Physik Journal, März 2009, Seite 3
AL