15.02.2018

Moleküle im Paartanz

Schwingungsspektroskopie gibt tiefen Einblick in Wechselwirkung von RNA und Wasser.

Ribonukleinsäure (RNA) ist ein elementarer Bestandteil biologischer Zellen. Während Desoxyribo­nuklein­säure (DNA) das Speicher­medium der Erb­information darstellt, verfügt RNA über eine vielfach komplexere biochemische Funktionalität. Dies beinhaltet die Informations­übertragung in Form von mRNA, RNA-vermittelte katalytische Aktivität in Ribosomen, bis hin zur Speicherung von Erb­information in Viren. Chemisch besteht RNA aus einer Abfolge organischer Nukleo­basen­moleküle, die durch ein sog. Rückgrat aus Phosphat- und Zucker­gruppen zusammengehalten werden. Ein derartiger Molekül­strang kann einzeln oder gepaart in Form einer Doppel­helix vorliegen. Beide makro­molekularen Formen sind in eine Wasserhülle eingebettet, die Sauerstoff­atome der Phosphat- und Zucker­gruppen stellen ausgezeichnete Kontakt­stellen für Wasser­moleküle dar. Die Struktur der Wasser­hülle weist hierbei Fluktuationen in einem Zeit­bereich von Bruch­teilen einer Pikosekunde auf. Die Wechsel­wirkung zwischen RNA und Wasser und ihre Rolle für die Ausbildung drei­dimensionaler RNA-Strukturen sind erst in Ansätzen verstanden und experimentell schwer zugänglich.

Abb.: Struktur der RNA-Doppelhelix (links), in blau die Natrium-Gegenionen. RNA-Rückgrat (rechts), dessen Schwingungen es ermöglichen, den Einfluss benachbarter Wassermoleküle auf die RNA in Echtzeit zu verfolgen. (Bild: MBI)

Forscher am Max-Born-Institut haben jetzt mit einer neuen experimentellen Methode die Wechsel­wirkung zwischen RNA und der umgebenden Wasserhülle in Echtzeit verfolgt. Dabei dienen Schwingungen des RNA-Rückgrats als empfindliche Sonden für den Einfluss der unmittelbar benachbarten Wasser­moleküle auf Struktur und Dynamik der RNA. Mit der zwei­dimensionalen Schwingungs­spektroskopie lassen sich die zeitliche Entwicklung von Schwingungs­anregungen aufzeichnen und molekulare Wechsel­wirkungen innerhalb der RNA wie auch zwischen RNA und Wasser bestimmen.

Dabei zeigt sich, dass Wassermoleküle an der RNA-Oberfläche ultraschnelle Kipp­bewegungen in Bruchteilen einer Piko­sekunde ausführen, ihre lokale räumliche Anordnung jedoch für einen Zeitraum von mehr als zehn Piko­sekunden beibehalten. Dieses Verhalten weicht von der Dynamik des reinen Wassers deutlich ab und ist stark durch die räumlichen Rand­bedingungen an der RNA-Oberfläche beeinflusst. Einzelne Wasser­moleküle verbinden hierbei benachbarte Phosphat­gruppen und bilden eine teilweise geordnete Struktur, die durch Kopplung an die Zucker­einheiten vermittelt wird.

Die sich bewegenden Wasser­moleküle erzeugen eine elektrische Kraft, mit der die Wasser­fluktuationen auf Schwingungen der RNA übertragen werden. Die Schwingungen des RNA-Rückgrats zeigen ein unterschiedliches dynamisches Verhalten, das von der lokalen Wasser­umgebung bestimmt wird und deren Hetero­genität widerspiegelt. RNA-Schwingungen koppeln ihrerseits aneinander, sie tauschen Energie untereinander und mit der Wasser­hülle aus. Die damit verbundene ultra­schnelle Umverteilung von Überschuss­energie verhindert ein lokales Über­hitzen der makro­molekularen Struktur.

Dieses komplexe Szenario wurde durch detaillierte theoretische Berechnungen und Simulationen analysiert, mit denen u.a. die Schwingungs­bewegungen des RNA-Rückgrats erstmals komplett und quantitativ identifiziert wurden. Vergleichende Experimente an DNA enthüllen Gemeinsamkeiten, aber auch charakteristische Unterschiede im Verhalten dieser beiden elementaren Bio­moleküle, wobei sich RNA durch eine strukturiertere Anordnung der umgebenden Wasser­hülle auszeichnet. Die Ergebnisse der Studie demonstrieren das vielfältige Potential von nicht-invasiver zeitaufgelöster Schwingungs­spektroskopie um das Wechselspiel von Struktur und Dynamik auf molekularen Längen- und Zeit­skalen in komplexen bio­molekularen Systemen zu entschlüsseln.

MBI / DE

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Meist gelesen

Photo
08.11.2024 • NachrichtForschung

Musik als Zeitreihe

Analyse von musikalischen Tonhöhensequenzen ergibt interessante Unterschiede zwischen verschiedenen Komponisten und Musikstilen.

Themen