Mott-Übergang im Experiment
Quanten-Spin-Flüssigkeit zeigt Wechsel vom Isolator zum Metall.
Als Mott-Isolatoren werden Metalle bezeichnet, die keinen Strom leiten. Forscher der Universität Stuttgart um Martin Dressel ist es nun gemeinsam mit Wissenschaftlern an Universitäten in den USA, Russland und Japan gelungen, den Mott-Übergang zu erforschen, wie also nichtleitende zu leitenden Metallen werden. Das Team sieht in diesem Erfolg einen Ansatz für die Konstruktion elektrischer Bauelemente mit gänzlich neuartigen Eigenschaften. Auch erachten sie ihn als einen möglicherweise entscheidenden Baustein, um das Rätsel der Hochtemperatur-Supraleitung zu lüften.
Abb.: Kristallstruktur des Mott-Isolators (BEDT-TTF)2Cu2(CN)3 als ein Beispiel einer Quanten-Spin-Flüssigkeit, die keine magnetische Ordnung zeigt. (Bild: U. Stuttgart)
Mott-Isolatoren enthalten zwar genügend Elektronen, um Strom gut zu leiten, doch diese behindern sich so stark, dass sie sich kaum bewegen. Bei niedrigen Temperaturen stecken die Elektronen fest, wie Eisschollen eines Flusses. Der Physiknobelpreisträger Nevill Mott vermutete dies zwar schon in den 1930er Jahren, doch erst fünfzig Jahre später war es möglich, die Eigenschaften solcher Metalle zu berechnen. Demnach enthalten sie unvorstellbar viele Elektronen, die sich alle gegenseitig beeinflussen: In einem Würfel von einem Zentimeter Kantenlänge befinden sich 1020 Elektronen. Mit Hilfe ausgeklügelter Computermodelle konnten die Wissenschaftler berechnen, dass die elektrische Abstoßung der Elektronen so groß werden kann, bis sich nichts mehr bewegt. Es fließt kein Strom, die Elektronen sitzen fest. Könnte man also die abstoßende Kraft reduzieren, würde das Material an einem bestimmten Punkt metallisch werden. Dies wird als Mott-Übergang von einem Isolator zu einem Metall bezeichnet.
Details solch eines reinen Mott-Übergangs im Experiment zu überprüfen, war bislang unmöglich. Grund waren die magnetischen Eigenschaften der untersuchten Materialien. Die zündende Idee der Stuttgarter Physiker war nun, Stoffe zu erforschen, die nicht magnetisch sind: Quanten-Spin-Flüssigkeiten. An ihnen ist es erstmals gelungen, den Mott-Übergang von einem Isolator zu einem Metall im Experiment zu untersuchen. Nachgewiesen wurden metallische Fluktuationen, die bei anderen Materialien von der magnetischen Ordnung verschleiert war. Dass dieses Niemandsland an der Grenze zwischen Isolator und Metall nun zugänglich gemacht wurde, könnte neue Anwendungen in der Materialforschung und Quantenelektronik eröffnen.
Quanten-Spin-Flüssigkeiten wurden in den 2000er Jahren entdeckt und unterdrücken aufgrund ihrer Anordnung in einem Dreieck über die geometrische Frustration jede magnetische Ordnung bis an den absoluten Nullpunkt der Temperatur. Die magnetischen Spins stecken in einer Zwickmühle und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Die Forscher fanden nun heraus, dass diese Spins zu den optischen Eigenschaften beitragen können, obwohl die Elektronen sich nicht mehr bewegen.
U. Stuttgart / JOL