05.06.2012

Mysteriöser Anstieg von C-14 um das Jahr 775

Daten aus japanischen Baumringen deuten auf unverstandenes energiereiches Ereignis in unserer kosmischen Nachbarschaft hin.

Wissenschaftler der Universität Nagoya haben in den Baumringen alter japanischer Zedern einen deutlichen Anstieg der Konzentration des radioaktiven Kohlenstoffisotops C-14 festgestellt. Dieses Isotop entsteht in den oberen Atmosphärenschichten, wenn hochenergetische kosmische Strahlung Atomkerne in ihre Bestandteile zerlegt (Spallation) und anschließend die freigewordenen Neutronen von den Stickstoffkernen in der Luft eingefangen werden. Dieser Prozess erzeugt C-14 sowie ein freies Proton. Die ständige Produktion von C-14 in der Atmosphäre ist Grundlage der Radiokarbonmethode, die Altersbestimmungen bis zu einigen Zehntausend Jahren zulässt.

Abb.: Baumringe wie dieser erlauben eine jahresgenaue Datierung. (Bild: Arpingstone)

Aus anderen Messreihen von Bäumen in Nordamerika und Europa ist bekannt, dass zwischen 770 und 780 n.Chr. ein Anstieg der Radiokohlenstoffkonzentration von 7,2 Promille stattgefunden hat. Dies deckt sich ungefähr mit Bestimmungen des Isotops Beryllium-10 aus antarktischen Eisbohrkernen. Die Altersbestimmung der nordamerikanischen und europäischen Baumdaten besitzt allerdings nur eine zeitliche Auflösung von fünf Jahren; die Eisbohrkerne sind noch schwieriger zu datieren und abhängig von eindeutig bestimmbaren Ereignissen wie etwa Vulkanausbrüchen.

Die Forscher konnten jetzt mit ein- bis zweijähriger Präzision angeben, dass ein Anstieg der C-14-Konzentration um 12 Promille in den Jahren 774 bis 775 stattgefunden hat. Das ist 20-fach stärker als die Schwankungen, die man aus dem elfjährigen Aktivitätszyklus der Sonne zu erwarten hat. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den nordamerikanischen, europäischen und antarktischen Daten. Die Forscher schließen daraus, dass der Anstieg global ist und durch ein energiereiches Ereignis in unserer kosmischen Nachbarschaft verursacht worden sein muss.

Allerdings deutet nichts darauf hin, was für ein Ereignis das gewesen sein könnte. Eine Supernova scheint ausgeschlossen. Denn wie die Forscher in ihren Berechnungen zeigen, hätte eine solche Supernova nahe genug stattfinden müssen, um heute noch als sehr helles Objekt sichtbar zu sein. Bekannte Supernovae aus späteren Jahrhunderten haben keinen vergleichbaren Anstieg bewirkt.

Als solares Ereignis käme vor allem ein starker „Flare“ mit einem Ausstoß hochenergetischer Protonen und einem harten Energiespektrum in Betracht. Von unserer Sonne sind solche Superflares aber nicht bekannt, auch nicht aus historischen Aufzeichnungen. Sie hätten vermutlich die Ozonschicht zerstört und starken Einfluss auf die Biosphäre besessen. Daniel Baker von der University of Colorado vermutet hingegen, dass spezielle koronale Massenauswürfe der Sonne vielleicht doch für dieses Ereignis in Frage kommen können. Die Forscher erhoffen sich deshalb von besser aufgelösten Beryllium-Messungen, von der Suche nach unentdeckten Supernova-Überresten und von einer Überprüfung historischer astronomischer Dokumente aus den Jahren 774 und 775 eine Klärung dieser mysteriösen Entdeckung.

Dirk Eidemüller

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