09.06.2017

Mysteriöser Knick auf Hawaii-Inseln

Hotspots und Plattentektonik sind für Struktur der Hawaii-Emperor-Bergkette verantwortlich.

Die Vulkan­inseln von Hawaii sind das jüngste Ende einer rund 80 Millionen Jahre alten und gut 6000 Kilometer langen Bergkette, die sich auf dem Grund des Pazifiks erstreckt. Diese Hawaii-Emperor-Kette, die aus Dutzenden Vulkanen besteht, macht auf halbem Wege einen bemerkens­werten Knick um rund 60 Grad. Über die Ursachen haben Geoforscher jahrzehnte­lang gestritten. Das eine Lager favo­risierte eine abrupte Änderung der Bewegungs­richtung der Pazi­fischen Platte, das andere eine Bewegung des Hotspots unter der Erdkruste, der die Vulkane seit Jahr­millionen befeuert. Offenbar sind beide Vorgänge maß­geblich beteiligt. Das zeigt eine Studie von Wissen­schaftlern der Universität Oslo, des Deutschen Geo­forschungs­zentrums Potsdam GFZ und der Uni­versität Utrecht.

Abb.: Die Hawaii-Emperor-Kette ist ein typisches Beispiel für einen „Hotspot Track“ – eine Reihe von Vulkanen, die entstehen, wenn eine Erdplatte sich langsam über einen Schlot bewegt, der kontinuierlich heißes Material aus dem tiefen Erdmantel fördert und damit Schmelze für Vulkane generiert.. (Bild: GFZ, Torsvik et al.)

Viele vul­kanische Inseln haben ihren Ursprung in Mantel­plumes. Diese schlauch­förmigen Strukturen im Innern der Erde trans­portieren heißes Gestein aus der Übergangs­zone zwischen Erdkern und Erdmantel in rund 3000 Kilo­metern Tiefe nach oben, wo es durch Vulkane bis an die Erdober­fläche gelangt. Mantel­plumes werden kaum von den tek­tonischen Platten beein­flusst, die über sie hinweg­gleiten. So entstehen im Lauf der Zeit über den Schloten lange, gerade Ketten von Vulkanen, wobei das Alter der Vulkane umso höher ist, je weiter diese vom Mantelplume entfernt sind. Die Vulkan­kette, zu der auch Hawaii gehört, erstreckt sich inzwischen über rund 6000 Kilometer. Der älteste und längst er­loschene Vulkan ist der Detroit Seamount, er befindet sich im Nordwest­pazifik und entstand vor rund 80 Millionen Jahren.

Inmitten dieser „Hawaii-Emperor-Kette“ befindet sich ein außer­gewöhnlicher Knick, der den unter­meerischen Gebirgs­zug in die ältere Emperor-Kette und die jüngere Hawaii-Kette teilt. Datierungen zufolge entstand der Knick vor 47 Millionen Jahren. „Die Ursache dafür war ein gra­vierender Wechsel der Bewegungs­richtung der Pazi­fischen Platte“, sagt Trond Torsvik von der Uni­versität Oslo und derzeit Gast­forscher am GFZ. Das Team bestätigt damit die Hypothese des US-Geo­physikers Jason Morgan, der diese Vermutung bereits in den 1970er-Jahren formuliert hatte.

„Ganz so einfach, wie vor vierzig Jahren angenommen, ist die Sache aber nicht“, sagt Torsvik. Morgan war der erste, der Mantelplumes – mitunter auch als Hotspots bezeichnet – als Referenz­punkte für die Platten­bewegung nutzte. In seinem Modell wurden die Hotspots als ortsfest angesehen, der Knick in der Hawaii-Emperor-Kette ging folglich auf eine simple Richtungs­änderung der Platte zurück. Doch diese Über­legung wurde seit den 1980er-Jahren zunehmend kriti­siert. „Seit den späten 1990er-Jahren war klar, dass Hotspots keines­wegs so unver­rückbar waren, wie man anfangs ange­nommen hatte, sie bewegen sich ebenfalls“, sagt Bernhard Stein­berger vom GFZ.

Dies sei inzwischen weit­gehend anerkannt. Modelle für Strömungen im Erdmantel lassen erkennen, dass der Hotspot von Hawaii sich langsam nach Süden bewegt hat. „Einzelne Studien haben postu­liert, dass der Knick in der Vulkan­kette nicht durch eine Neuaus­richtung der Pazi­fischen Platte entstand, sondern durch eine vergleichs­weise schnelle Bewegung des Hotspots nach Süden in der Zeit vor 47 Millionen Jahren“, fährt Stein­berger fort. „Dieses Szenario hatte durchaus seinen Reiz, denn auf den angren­zenden tek­tonischen Platten fanden sich bisher keine Hinweise darauf, dass die Pazi­fische Platte damals plötzlich die Richtung geändert hat.“

In der neuen Studie zeigt das Team, dass es sich so aber kaum zuge­tragen haben kann. Für dieses Szenario hätte sich der Hotspot mit unrealistisch hoher Geschwin­digkeit von 42 Zentimetern pro Jahr bewegen müssen, das ist ein Vielfaches der üblichen Geschwin­digkeit von Erdplatten. In der Folge hätte die Emperor-Kette in gerade fünf Millionen Jahren aufgebaut werden müssen, der Detroit Seamount wäre nur 52 Millionen Jahre alt. Dem steht zudem eine Datierung des Vulkans entgegen, die ein Alter von 80 Millionen Jahren ergab. „Theo­retisch gäbe es auch die Möglich­keit, dass der Hotspot sich lang­samer bewegte und in Richtung West-Südwest“, ergänzt Stein­berger. Diese Richtung passe aber nicht zu Model­lierungen der Strömungen im Erd­mantel.

„Unsere Studie zeigt, wie sich mittels einfacher Simu­lationen aufklären lässt, welches Szenario geeignet ist, den Knick in der Hawaii-Emperor-Vulkan­kette zu erklären – und welches nicht“, sagt Pavel Doubrovine von der Uni­versität Oslo. „Wir kommen nicht um die Schluss­folgerung herum, dass das Umbiegen um 60 Grad haupt­sächlich durch die Änderung der Bewegung der Pazi­fischen Platte hervor­gerufen wurde.“ Aller­dings müsse es zudem eine gewisse Bewegung des Hotspots gegeben haben, sonst wäre die Vulkan­kette rund 800 Kilometer kürzer als wir es in der Natur sehen.

Um die Form und die Länge der Vulkan­kette im West­pazifik zu erklären, läuft es also auf eine Mischung aus beiden Prozessen hinaus: eine geänderte Platten­bewegung und ein beweg­licher Hostpot, ergänzt Torsvik. „Wenn diese Ein­schätzung den alten Streit befriedet und in der Fachwelt anerkannt wird, können wir uns der nächsten spannenden Frage widmen: Was genau hat eigentlich dazu geführt, dass die Pazi­fische Platte vor 47 Millionen Jahren ihre Richtung geändert hat?“ Die Antwort werde hoffent­lich nicht wieder 40 Jahre auf sich warten lassen, sagt Torsvik.

GFZ / JOL

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