Nanoinseln statt Streifen
Röntgenuntersuchung entlarvt Ursprung des magnetischen Stundenglas-Spektrums.
Seit Jahren sind Physiker vom bei Kupferoxiden beobachteten, Stundenglas-förmigen magnetischen Spektrum fasziniert. Kupferoxide sind die Materialklasse mit der bislang höchsten bekannten Übergangstemperatur zur Supraleitung. Die Forscher vermuten in den magnetischen Anregungen den Schlüssel zum Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung. Alexander Komarek vom MPI für Chemische Physik fester Stoffe und seine Kollegen haben nun einen Kobaltoxid-Kristall untersucht, der überraschenderweise auch ein Stundenglas-Spektrum zeigt. Solche Kobalt-Verbindungen sind Isolatoren, was die Zahl der möglichen Mechanismen des Stundenglas-Spektrums reduziert. Zusätzlich zur Neutronenstreuung setzten die Forscher dabei Röntgenbeugung ein. Die Neutronenstreuung gibt Aufschluss über die magnetischen Eigenschaften eines Materials. Die Röntgenbeugung diente Komareks Team dazu, die Anordnung der elektrischen Ladung im Kobaltoxid-Kristall zu untersuchen. Die Physiker nutzten einen extrem feinen Röntgenstrahl am Synchrotron PETRA-III am DESY, mit dem sie die Verteilung auf weniger als einen Nanometer genau bestimmen konnten.
Abb.: In einem Kobaltoxid-Kristall existieren zwei verschiedene nanoskopische Zonen, die reich (blau) beziehungsweise arm (rot) an Ladungsträgern sind. Gleichzeitig bestimmten sie die magnetische Ordnung des Materials. Die Pfeile und Farben geben die Orientierungen der Elektronenspins oder magnetischen Momente an den einzelnen Atomen wieder. (Bild: A. Komarek, MPI CPfS)
Das Ergebnis überraschte die Forscher. „Der Kristall ist aus einzelnen Schichten aufgebaut, innerhalb derer wir bislang ein Streifenmuster der elektrischen Ladung erwarteten“, erklärt Komarek. „Doch stattdessen fanden wir eine mikroskopische Struktur von Ladungsträger-verarmten Inseln, sowie von Ladungsträger-reichen Bereichen.“ Die Durchmesser der ladungsfreien Inseln betragen lediglich etwa einen Nanometer. Komarek spricht von zwei Phasen, die auf der Nanoskala sowohl elektronisch als auch magnetisch voneinander stark getrennt sind, also von einer neuartigen „Nanophasenseparation“.
Eine Schlussfolgerung ist, dass der energiereichere Teil des Spektrums, also der obere Teil des Stundenglases, die magnetischen Anregungen der ladungsfreien Inseln widerspiegelt, der untere dagegen vor allem die der ladungsreichen Bereiche dazwischen. Bisher gingen Physiker davon aus, dass beide Teile des Spektrums von der gesamten Struktur herrühren.
Eine Erklärung für das Phänomen liefert die unterschiedlich starke Wechselwirkung zwischen den magnetischen Atomen in den beiden verschiedenen Bereichen. Weil die Wechselwirkung auf den ladungsfreien Inseln stärker ist, ist dort mehr Energie für die magnetischen Anregungen nötig. Vergleichen lässt sich das mit einer Kette aus Kugeln, die mit unterschiedlich harten Federn verbunden sind. Um die harten Federn zum Schwingen zu bringen, benötigt man viel mehr Energie als bei den weicheren Federn. Die hochfrequenten Schwingungen der harten Federn sind zudem weitgehend unabhängig von den niederfrequenten Schwingungen der weichen Federn. Analog dazu zeigt das untersuchte magnetische Anregungsspektrum zwei unabhängige Bereiche von Anregungen. Außerdem fanden die Forscher bei Neutronenmessungen an Forschungsreaktoren eine zusätzliche magnetische Anregung mit besonders hoher Energie, welche tatsächlich nach dem neuen „Nanophasenseparation“-Modell vorhanden sein sollte, aber bislang nie beobachtet worden war.
MPI CPfS / RK