Nanowirbel in Magneten
Harte Röntgenstrahlung macht theoretisch vorhergesagte Bloch-Punkte sichtbar.
Ein Forscherteam des Paul Scherrer Instituts PSI, der ETH Zürich und der Universität Glasgow konnte erstmals die magnetische Struktur innerhalb eines kleinen dreidimensionalen Objekts im Nanometerbereich abbilden. Das mehrere Mikrometer kleine untersuchte Objekt war ein zylinderförmiger Magnet aus Gadolinium-Kobalt – ein Material, das sich ferromagnetisch verhält. Den Forschern gelang es im Inneren dieses Objekts die feinen magnetischen Muster bis auf das Zehntausendstel eines Millimeters abzubilden. Die kleinsten noch sichtbaren Details in der 3-D-Visualisierung waren rund 100 Nanometer klein. Die Bildgebung wurde mit der Magnettomographie mittels harter Röntgenstrahlung erreicht.
Abb.: Ein virtueller senkrechter Schnitt durch die Probe offenbart ihre innere magnetische Struktur. (Bild: C. Donnelly, PSI)
„Bislang ließen sich solche winzigen Details der magnetischen Struktur nur in dünnen Filmen oder an den Oberflächen von Objekten abbilden“, erklärt Laura Heyderman, Professorin an der ETH Zürich. „Mit unseren jetzigen Bildern dagegen können wir richtiggehend in das magnetische Material eintauchen: Wir sehen und verstehen die dreidimensionale Anordnung der winzigen magnetischen Kompassnadeln.“ Diese kleinen Nadeln reagieren auf einander und sind daher nicht beliebig angeordnet, sondern bilden bestimmte Muster, die das gesamte magnetische Objekt durchziehen.
Heydermann und Kollegen erkannten schnell, dass das magnetische Muster aus grundlegenden magnetischen Strukturen besteht, die ineinander verschlungen sind: Sie erkannten magnetische Domänen, Regionen mit gleicher magnetischer Ausrichtung, und Domänenwände, die zwei solcher Domänen voneinander trennen. Sie beobachteten zudem magnetische Wirbel, deren Form derjenigen eines Tornados gleicht. Zusammengesetzt bildeten all diese Strukturen ein einzigartiges, vielschichtiges Muster. „Diese grundlegenden, bekannten Strukturen zu sehen, wie sie sich zu einem komplexen dreidimensionalen Netzwerk zusammenfügen, war wirklich schön und eindrucksvoll“, sagt PSI-Forscherin Claire Donnelly.
Eine besondere Art Struktur stach dabei heraus: ein Paar magnetischer Singularitäten, sogenannte Bloch-Punkte. Bloch-Punkte enthalten einen unendlich kleinen Bereich, in dem die magnetischen Kompassnadeln ihre Richtung schlagartig ändern. „Bei den Ferromagneten kann die Magnetisierung üblicherweise als stetig angesehen werden, das heißt, auf der Nanometerskala gibt es keine plötzlichen Änderungen. An diesen Singularitäten dagegen gilt genau das nicht mehr“, sagt Sebastian Gliga von der Universität Glasgow. Bloch-Punkte stellen Monopole der Magnetisierung dar und obwohl sie schon vor über 60 Jahren vorhergesagt wurden, konnten sie bis zu dieser Studie nie direkt beobachtet werden.
Die in dieser Studie angewandte Röntgen-Magnettomographie basiert auf einem Grundprinzip der Computertomographie (CT). Ähnlich wie bei medizinischen CT-Scans werden viele Röntgenbilder der Probe nacheinander und jeweils aus leicht unterschiedlicher Richtung aufgenommen. Die Messungen dieser Studie wurden an der cSAXS-Strahllinie der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz SLS am PSI durchgeführt. Eine Messeinheit zur Röntgen-Nanotomografie des OMNY-Projekts ermöglichte zusammen mit einer kürzlich entwickelten Bildgebungstechnik namens Ptychografie die Experimente. Aus den so gesammelten Daten erstellten die Forscher mittels Computerberechnungen und einem am PSI entwickelten neuartigen Rekonstruktionsalgorithmus eine 3-D-Landkarte der Magnetisierung.
Die Forscher nutzten harte Röntgenstrahlen an der SLS des PSI. „Die weiche Röntgenstrahlung mit ihrer niedrigeren Energie wurde schon zuvor sehr erfolgreich eingesetzt, um ähnliche Landkarten der magnetischen Momente zu erzielen“, erklärt Donnelly. „Aber weiche Röntgenstrahlung dringt kaum in solche Proben ein, daher lässt sich mit ihr nur die Magnetisierung eines Dünnfilms oder an der Oberfläche eines Objekts abbilden.“ Um wirklich ins Innere ihres Magneten einzutauchen, wählten die PSI-Forscher daher harte Röntgenstrahlung. Den Preis der deutlich geringeren Signalstärke, die die harte Röntgenstrahlung mit sich bringt, nahmen sie dabei in Kauf.
Die neue Methode, mit der sich ins Innere von Magneten blicken lässt, könnte einen weitreichenden Einfluss auf viele der heutigen Technologien haben: Magnete finden sich in Motoren, in der Energieproduktion und in der Datenspeicherung. Womöglich lassen sich dank der nun vorgestellten Methode eines Tages bessere, maßgeschneiderte Magnete erschaffen, was wiederum viele alltägliche Anwendungen weiter verbessern würde.
PSI / JOL