29.05.2020

Natriumpumpe unter der Röntgenlupe

Serielle Femtosekunden-Kristallographie deckt Mechanismus einer lichtgetriebenen Natriumpumpe auf.

Natrium spielt eine wesentliche Rolle für Lebens­vorgänge der meisten biologischen Zellen. So bauen viele Zellen ein Konzentrationsgefälle zwischen ihrem Inneren und der Umgebung auf. Dazu transportieren spezielle Pumpen in der Zellmembran Natrium aus der Zelle heraus. Mithilfe eines solchen Konzentrations­gefälles nehmen beispielsweise Zellen des Dünndarms oder der Niere bestimmte Zucker auf.
 

Abb.: Petr Skopintsev, Jörg Standfuss und Christopher Milne (v.l.n.r.) an der...
Abb.: Petr Skopintsev, Jörg Standfuss und Christopher Milne (v.l.n.r.) an der Experimentier­station Alvra am SwissFEL (Bild: PSI / M. Dzambegovic)

Auch in den Membranen von Bakterien finden sich solche Natrium­pumpen. Sie zählen zur Familie der Rhodopsine. Das sind spezielle Proteine, die durch Licht aktiviert werden. Diese transportieren beispiels­weise bei im Meer lebenden Bakterien wie Krokinobacter eikastus Natrium aus der Zelle heraus. Die entscheidende Komponente des Rhodopsins ist das Retinal, eine Form von Vitamin A. Es ist von zentraler Bedeutung für Menschen, Tiere, bestimmte Algen und viele Bakterien. In der Netzhaut des menschlichen Auges stößt Retinal beispielsweise den Sehvorgang an, wenn es unter Licht­einfluss seine Form verändert.

Forschern des Paul Scherrer Instituts PSI ist es nun gelungen, die Natrium­pumpe von Krokinobacter eikastus in Aktion aufzunehmen und dabei die molekularen Veränderungen zu dokumentieren, die zum Natrium­transport notwendig sind. Dafür nutzten sie ein Verfahren, das als serielle Femtosekunden-Kristallographie bezeichnet wird. Dabei wird die zu untersuchende Probe – in diesem Fall eine kristallisierte Natriumpumpe – zeitversetzt erst von einem Laser- und dann von einem Röntgen­strahl getroffen. Im Fall des bakteriellen Rhodopsins aktiviert der Laser das Retinal und der anschließend auftreffende Röntgen­strahl liefert Daten über Struktur­veränderungen innerhalb des gesamten Protein­moleküls. Da der SwissFEL 100 Röntgenpulse pro Sekunde produziert, sind zeitlich hochaufgelöste Aufnahmen möglich. „Eine zeitliche Auflösung im Femto­sekunden­bereich erzielen wir am PSI nur mithilfe des SwissFEL“, sagt Christopher Milne, der die Experimentierstation Alvra mitentwickelt hat, an der die Aufnahmen gemacht wurden. „Eine der Herausforderungen dabei ist, die Kristalle so in die Versuchsapparatur zu injizieren, dass sie punktgenau mit den Pulsen des Lasers und des Röntgen­strahls zusammen­treffen.“

In dem aktuellen Versuch betrugen die Zeitintervalle zwischen Laser- und Röntgen­strahl zwischen 800 Femto- und 20 Millisekunden. Durch jeden Röntgenpuls entsteht eine einzelne Aufnahme eines Protein­kristalls. Und so wie ein Kinofilm letztendlich aus einer Vielzahl einzelner Fotos besteht, die aneinander­gereiht und dann schnell abgespielt werden, so lassen sich auch die einzelnen Bilder, die mithilfe des SwissFEL gewonnen werden, zu einer Art Film zusammensetzen.

„Der Vorgang, den wir mit unserem Experiment beobachten konnten und der in etwa dem Transport eines Natrium-Ions durch eine Zellmembran entspricht, dauert insgesamt zwanzig Milli­sekunden“, erklärt Jörg Standfuss, der die Gruppe für zeitaufgelöste Kristallo­graphie im Bereich Biologie und Chemie am PSI leitet. „Neben der Aufklärung des Transport­vorgangs konnten wir auch zeigen, wie die Natriumpumpe durch kleine Veränderungen in ihrer Struktur ihre Spezifität für Natrium erreicht.“ Das stellt sicher, dass nur Natrium-Ionen und keine anderen positiv geladenen Ionen transportiert werden. Die Forscher deckten mit ihren Untersuchungen außerdem die molekularen Veränderungen auf, mit denen die Pumpe verhindert, dass die einmal aus der Zelle beförderten Natrium-Ionen wieder durch sie in die Zelle zurückströmen.

Da Konzentrationsunterschiede von Natrium auch bei der Reizleitung von Nervenzellen eine besondere Rolle spielen, besitzen Neuronen ebenfalls leistungsfähige Natriumpumpen in ihrer Membran. Strömt vermehrt Natrium in das Zellinnere, wird ein Reiz weitergeleitet. Das überschüssige Natrium in der Zelle transportieren diese Pumpen anschließend wieder nach außen.

Da die Natriumpumpe von Krokinobacter eikastus durch Licht getrieben wird, können Forscher sie nun für die Optogenetik nutzen. Mit dieser Technologie werden Zellen, in diesem Fall Nervenzellen, genetisch so verändert, dass man sie durch Licht steuern kann. Dabei wird die Pumpe mithilfe molekulargenetischer Verfahren in Nervenzellen eingebaut. Wird sie dann durch Licht aktiviert, kann ein Neuron beispielsweise keine Reize mehr weiterleiten, da dafür eine Steigerung der Natrium­konzentration in der Nervenzelle notwendig wäre. Das verhindert aber das bakterielle Rhodopsin, indem es unablässig Natrium aus der Zelle heraus­transportiert. Aktive Natrium­pumpen inaktivieren also ein Neuron.

„Wenn wir verstehen, was genau in der Natriumpumpe des Bakteriums abläuft, kann das helfen, die Experimente in der Optogentik zu verbessern“, sagt Petr Skopintsev, Doktorand in der Gruppe Zeitaufgelöste Kristallografie. „Beispielsweise lassen sich damit Varianten des bakteriellen Rhodopsins identifizieren, die effektiver arbeiten als die Form, die man üblicherweise in Krokinobacter findet.“ Zusätzlich erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse darüber, wie einzelne Mutationen die Ionenpumpen so verändern können, dass sie anschließend andere Ionen als Natrium transportieren.

PSI / DE
 

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