06.12.2011

Neue Himmelskarte zeigt die Magnetfelder der Milchstraße

Daten von über 41.000 Einzelmessungen zeigen auch kleinskalige Strukturen, die Aufschluss über turbulente Strömungen im galaktischen Gas geben.

Eine Möglichkeit die kosmische Magnetfelder zu messen bietet der seit über 150 Jahren bekannte Faraday-Effekt. Dabei wird die Polarisationsebene von polarisiertem Licht, das durch ein magnetisiertes Medium fällt, gedreht. Das Ausmaß dieser Drehung hängt unter anderem von der Magnetfeldstärke und -richtung ab und erlaubt es somit, diese Eigenschaften zu untersuchen.

Abb. 1: Die Himmelskarte des Faraday-Effekts der Magnetfelder unserer Milchstraße. Rötliche Farben zeigen Himmelsregionen in denen das Magnetfeld auf den Beobachter zu zeigt, in bläulichen Regionen zeigt es von ihm weg. (Bild: MPA)


Um das Magnetfeld unserer eigenen Galaxie zu messen, benutzen Radioastronomen das polarisierte Licht entfernter Radiogalaxien, welches auf seinem Weg zu uns die Milchstraße durchqueren muss. Die dabei auftretende Drehung der Polarisation durch den Faraday-Effekt kann durch Messungen bei verschiedenen Frequenzen rekonstruiert werden. Damit können die Astronomen für die Sichtlinien zu den so vermessenen Radiogalaxien die Stärke des Faraday-Effektes bestimmen und erhalten somit Information über das galaktische Magnetfeld.

Um eine möglichst realistische Karte des gesamten Himmels zu erhalten, muss zwischen den vorhandenen Messpunkten interpoliert werden, wobei zwei Schwierigkeiten auftreten: Die jeweiligen Messgenauigkeiten variieren stark, deshalb sollten genauere Messungen ein größeres Gewicht bekommen. Außerdem ist nicht bekannt, wie groß die Himmelsregion ist, über die ein Messpunkt noch zuverlässig Informationen über seine Umgebung liefert. Diese Entfernung muss also direkt aus den Daten selbst erschlossen und korrekt berücksichtigt werden.

Abb. 2: Die zur Faraday-Karte gehörige Unsicherheitskarte. Man beachte den im Vergleich zur Faraday-Karte (Abb. 1) kleineren Wertebereich der verbleibenden Unsicherheiten. (Bild: MPA)


Ein weiteres Problem: Aufgrund des höchst komplexen Messvorgangs sind die Messunsicherheiten selbst unsicher. So kommt es vor, dass der tatsächliche Messfehler für einen kleinen aber signifikanten Teil der Daten mehr als zehnmal so groß ist, wie von den Radioastronomen angegeben. Die vermeintliche Genauigkeit dieser Ausreißer kann die Faraday-Karte galaktischer Magnetfelder stark verfälschen, sofern keine entsprechende Fehlerkorrektur vorgenommen wird.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astronomie in Garching haben nun einen neuartigen Algorithmus zur Bildrekonstruktion entwickelt, den „erweiterten kritischen Filter”. Das Team nutzt dabei Methoden der neuen Informationsfeldtheorie, die logische und statistische Methoden auf Felder mit ungenauen Fehlerangaben anwendet. Dieser Ansatz ist so allgemein, dass er für eine Vielzahl von Bild- und Signal-verarbeitenden Anwendungen in Astronomie, Medizin und Geographie von Nutzen sein kann. Der nun von den 26 Radioastronomen des Projektes beigesteuerte Datensatz umfasst 41.330 Einzelmessungen und somit im Durchschnitt etwa eine Radiogalaxie pro Quadratgrad des Himmels.

Abb. 3: In dieser Himmelskarte wurde der Effekt der galaktischen Scheibe heraus gerechnet, um schwächere Strukturen des galaktischen Magnetfeldes deutlicher sichtbar zu machen. Die Magnetfeldrichtungen ober- und unterhalb der Scheibe scheinen entgegengesetzt zu sein, wie anhand der positiven (rot) und negativen (blau) Werte zu erkennen ist. (Bild: MPA)


Neben der detaillierten Faradaykarte (Abb. 1) liefert der Algorithmus auch eine Karte der verbleibenden Unsicherheiten (Abb. 2), die insbesondere in der galaktischen Scheibe und in der weniger gut beobachteten Region um den Himmelssüdpol (rechter unterer Quadrant) deutlich größer sind. Um die Strukturen im galaktischen Magnetfeld hervorzuheben, ist in Abb. 3 der Effekt der galaktischen Scheibe heraus gerechnet worden, sodass schwächere Strukturen ober- und unterhalb der galaktischen Scheibe besser sichtbar sind.

Neben großskaligen Strukturen sind aber auch diverse kleinere Strukturen zu sehen, die mit turbulenten Verwirbelungen und Verklumpungen im äußerst dynamischen Gas der Milchstraße zusammenhängen. Die neue Methode liefert als Nebenprodukt eine Charakterisierung der Größenverteilung dieser turbulenten Strukturen, ein „Leistungsspektrum", wobei größere Strukturen stärker ausgeprägt sind als kleinere, wie es für Turbulenz typisch ist. Dieses Spektrum kann direkt mit Vorhersagen von Computersimulationen der turbulenten Gas- und Magnetfelddynamik unserer Galaxie verglichen werden und erlaubt somit, galaktische Dynamomodelle im Detail zu testen.

MPA / PH

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