27.11.2014

Neue Messlatte für den Kosmos

Staubring um supermassives Schwarzes Loch erlaubt präzise Entfernungsbestimmung.

Die aktive Galaxie NGC 4151 ist ein wichtiger Eckpfeiler für die Bestimmung der Massen supermassiver Schwarzer Löcher: Hier lässt sich die Lichtlaufzeit-Kartierung (reverberation mapping) der breiten Emissionslinien gegen andere dynamische Methoden kalibrieren. Allerdings ist dazu eine genaue Kenntnis der Entfernung der Galaxie nötig – und daran mangelt es. Verschiedene Methoden lieferten in den vergangenen Jahren Werte zwischen 13 und 95 Millionen Lichtjahren. Entsprechend unsicher ist bislang die Eichung der Massenbestimmung.

Abb.: Schematische Darstellung des Verfahrens: Die UV-Strahlung erwärmt einen Ring aus Staub, der durch die Erwärmung im Infrarotbereich aufleuchtet. Die Forscher maßen die zeitliche Verzögerung, mit der Strahlungsschwankungen im UV- und im Infrarotbereich auftreten.. (Bild: M. D. Eriksen)

Sebastian Hönig vom Dark Cosmology Center der Universität Kopenhagen und seine Kollegen präsentieren nun ein neues trigonometrisches Verfahren, das für NGC 4151 eine Entfernung von 62 Millionen Lichtjahren mit einer Unsicherheit von lediglich 13,5 Prozent liefert. Dieser neue Wert führt zu einer 1,4-fachen Erhöhung der bislang auf 45 Millionen Sonnenmassen geschätzten dynamischen Masse des zentralen Schwarzen Lochs der Galaxie. Das impliziert eine entsprechende Korrektur für die Massen Schwarzer Löcher, die mithilfe der Lichtlaufzeit-Kartierung bestimmt und mit den Daten von NGC 4151 kalibriert wurden.

Das zentrale Schwarze Loch einer aktiven Galaxie ist von einer Akkretionsscheibe umgeben, die eine hohe Leuchtkraft im ultravioletten und optischen Bereich besitzt. In größerer Entfernung von dem Schwarzen Loch sinkt die Temperatur so weit ab, dass sich Staub bilden kann. Dieser Staubring absorbiert UV-Strahlung und optisches Licht, erwärmt sich und reemittiert die Energie im infraroten Bereich. Strahlungsschwankungen der Akkretionsscheibe führen also mit einer zeitlichen Verzögerung, die der Lichtlaufzeit zum Staubring entspricht, zu Variationen der infraroten Strahlung.

Anhand von Archivdaten konnten Hönig und seine Kollegen für NGC 4151 eine zeitliche Verzögerung von 30 Tagen zwischen Schwankungen im UV- und im IR-Bereich nachweisen. Der Staubring hat also einen Radius von 30 Lichttagen. Mithilfe hochauflösender interferometrischer Beobachtungen mit den beiden zehn Meter großen Keck-Teleskopen auf Hawaii bestimmte das Team anschließend den Winkeldurchmesser des Staubrings: Er beträgt zwölf Millionstel Grad. Mit dem aus der zeitlichen Verzögerung bestimmten Radius ergibt sich daraus dann mithilfe simpler Trigonometrie die Entfernung von NGC 4151.

Zwar sind sowohl die Messung der zeitlichen Verzögerung, als auch die Bestimmung des Winkeldurchmessers mit einer Unsicherheit von etwa 40 Prozent behaftet. Die Ursache ist jedoch bei beiden Verfahren die unbekannte, ungleichmäßige Verteilung der Helligkeit auf dem Staubring. Bei der Berechnung der Entfernung kürzen sich diese Unsicherheiten daher heraus und die „Staub-Parallaxe“ liefert einen überraschend zuverlässigen Wert. Die neue Methode könnte künftig nicht nur zu einer genaueren Bestimmung der Massen von Schwarzen Löchern in aktiven Galaxien führen, sondern auch eine genauere Vermessung des Kosmos ermöglichen, hoffen Hönig und seine Kollegen.

Rainer Kayser

RK

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