11.07.2024

Neue Phase in Neutronensternen

Theorie: Protonen und Neutronen verformen sich zu Platten und Fäden.

Neutronen­sterne sind extreme und rätselhafte Himmelskörper. Mit einem Radius von etwa zwölf Kilometern haben sie zum Teil mehr als die doppelte Masse der Sonne. In ihnen ist die Materie bis zu fünfmal so dicht gepackt wie in einem Atomkern – neben schwarzen Löchern sind sie die dichtesten Objekte im Weltall. Unter den extremen Bedingungen kann Materie exotische Zustände annehmen. Eine Hypothese ist, dass sich Protonen und Neutronen zu Platten und Fäden verformen, ähnlich wie Lasagne oder Spaghetti, weshalb Fachleute auch von „Nuklearer Pasta“ sprechen. Forschende des Fachbereichs Physik der TU Darmstadt und des Niels-Bohr-Instituts in Kopen­hagen haben nun den Zustand der Kernmaterie in der inneren Kruste von Neutronen­sternen mithilfe eines neuen theo­retischen Ansatzes untersucht. Sie zeigten, dass dort nicht nur Neutronen, sondern auch Protonen aus Atomkernen herausfließen und die „Nukleare Pasta“ stabi­lisieren können.

Abb.: Illustration eines Neutronenstern.
Abb.: Illustration eines Neutronenstern.
Quelle: ESA

Neutronensterne entstehen, wenn masse­reiche Sterne in einer Supernova explodieren: Während die äußere Hülle des Sterns ins All geschleudert wird, kollabiert sein Inneres. Durch die massive Gravitation werden die Atome regelrecht zerquetscht. Die negativ geladenen Elektronen werden trotz ihrer Abstoßung so dicht an die positiv geladenen Protonen im Atomkern gepresst, dass sich in Neutronen umwandeln. Die starke Kernkraft verhindert dann den weiteren Kollaps. Am Ende entsteht ein Himmels­körper, der zu etwa 95 Prozent aus Neutronen und zu fünf Prozent aus Protonen besteht.

Die Darmstädter Forschenden um Achim Schwenk sind Experten für theoretische Kernphysik, wobei Neutronensterne zu ihren wichtigsten Forschungs­objekten gehören. Nun haben sie sich mit der Kruste dieser extremen Himmelskörper beschäftigt. In der äußeren Kruste ist die Materie bei weitem nicht so dicht wie im Inneren und es existieren noch Atomkerne. Mit zunehmender Dichte kommt es in den Atomkernen bereits zu einem Neutronen­überschuss. Die Neutronen „tropfen“ aus den Kernen heraus, ein Phänomen, das als „neutron drip“ bezeichnet wird. Die Atomkerne „schwimmen“ also in einer Art Soße aus Neutronen.

„Wir haben uns gefragt, ob neben Neutronen auch Protonen aus den Kernen tropfen“, sagt Achim Schwenk. „Die Literatur war in dieser Frage nicht eindeutig“, so der Physiker. Das Team mit Jonas Keller und Kai Hebeler von der TU Darmstadt und Christopher Pethick vom Niels-Bohr-Institut in Kopen­hagen hat den Zustand der Kernmaterie unter den Bedingungen in der Neutronenstern-Kruste neu berechnet. Anders als bisher berechneten sie deren Energie als Funktion des Protonenanteils. Außerdem bezogen sie nicht nur die Wechsel­wirkungen zwischen jeweils zwei Kernbau­steinen in ihre Rechnungen ein, sondern auch die zwischen drei Nukleonen.

Die Methode war erfolgreich: Die Forschenden konnten zeigen, dass auch Protonen in der inneren Kruste aus den Atomkernen heraus­fließen. Der „Proton Drip“ existiert also. Diese aus Protonen bestehende Phase koexistiert im Gleichgewicht mit den Neutronen. „Wir konnten auch zeigen, dass diese Phase das Phänomen von Nuklearer Pasta begünstigt“, sagt Schwenk. Dank der in die „Soße“ eingestreuten Protonen können die Nukleonen in Spaghetti- und Lasagne-Formen besser existieren. Damit konnte das Team das Bild der Kernmaterie in der Kruste von Neutronen­sternen verfeinern.

„Je besser wir Neutronen­sterne beschreiben können, desto mehr können wir mit Beobachtungen dieser Himmelskörper vergleichen“, sagt Schwenk. Neutronensterne sind astrophysikalisch schwer zu fassen. Zum Beispiel kennt man ihren sehr kleinen Radius nicht aus direkter Beobachtung, sondern aus indirekten Nachweisen, etwa ihrer Gravitations­wirkung auf andere Neutronen­sterne. Andere Phänomene, wie die pulsierende Radio­strahlung von Neutronen­sternen, können jedoch beobachtet werden. Das Ergebnis des Teams verbessert das theoretische Verständnis von Neutronen­sternen und könnte dazu beitragen, aus astro­physikalischen Messungen neue Erkenntnisse über diese Rätsel des Universums zu gewinnen.

TU Darmstadt / JOL

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