03.05.2023 • Magnetismus

Neuer Hall-Effekt entdeckt

Elektronen lassen sich verlustfrei übertragen – auch bei kürzlich entdeckten unkonventionellen Magneten.

Vor mehreren Jahren machten Forscher der Uni Mainz und der tschechischen Akademie der Wissen­schaften eine theoretische Vorhersage über die Entdeckung eines neues Hall-Effekts. Jetzt konnten die Wissen­schaftler gemeinsam mit inter­nationalen Forschungs­partnern diese Vorhersage experi­mentell unter­mauern.

Abb.: Abgelenkte Elek­tronen auf­grund eines un­kon­ven­tio­nellen...
Abb.: Abgelenkte Elek­tronen auf­grund eines un­kon­ven­tio­nellen ano­malen Hall-Effekts in einem alter­magne­tischen Kristall von Ruthe­nium­dioxid. (Bild: L. Šmejkal, M. Greber, JGU Mainz)

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der US-amerikanische Physiker Edwin Hall zwei Effekte. Der erste ist der nach ihm benannte, konven­tionelle Hall-Effekt. Dieser besagt: Hält man ein Material in ein Magnetfeld und schickt einen elektrischen Strom hindurch, werden die Elektronen durch die Lorenzkraft abgelenkt. Das wurde in der letzten Dekade intensiv genutzt, um N- und P-Typ-Halbleiter zu unterscheiden. Zwei Jahre nach dieser ersten Entdeckung fand Hall zudem heraus: Nimmt man ein magnetisches Material wie Eisen, fällt der Effekt über­raschend stark aus – auch ohne Magnetfeld. Da das Material magnetisch ist, tritt anstelle des externen magnetischen Feldes eine Magneti­sierung auf, so die Erklärung.

Vor zwanzig Jahren fand man zudem heraus, dass ein großer Beitrag in vielen Materialien von einem effektiven Feld stammt, das auf die Elektronen wirkt – es kommt durch ein quanten­mecha­nisches Zusammen­spiel der magnetischen Ordnung und der Spin-Orbit-Interaktion zustande. Man spricht dabei vom anormalen Hall-Effekt. Lange Zeit ging man davon aus, dass dieser Effekt von der Magneti­sierung abhängt. Ohne Magneti­sierung, so dachte man, könne dieser Effekt nicht auftreten. Das änderte sich einige Jahre später, als man entdeckte, dass eine nicht­lineare Textur in einem Magneten ebenfalls einen anormalen Hall-Effekt hervorruft.

Was sehr theoretisch klingt, hat durchaus eine interessante Anwendung. Denn während Elektronen, die sich durch einen herkömm­lichen Leiter bewegen, das Atomgitter aufheizen und somit Energie verlieren können, bewegen sie sich in einem Material, in dem der Hall-Effekt auftritt, verlustfrei. Zumindest in trans­versaler Richtung, also in einer Querbewegung. Um ihr volles Potenzial auszu­schöpfen, sind jedoch praktischere magnetische Materialien ohne Magneti­sierung und komplexe Nicht­kollinearität erforderlich.

Forscher der Uni Mainz sagten vor einigen Jahren voraus, dass der anormale Hall-Effekt in unkonven­tio­nellen Materialien wie Ruthenium­oxid auch ohne magnetisches Moment auftritt – sprich in Materialien, in denen sich die Magneti­sierung aufgrund anti­paralleler linearer Spin-Ordnungen vollkommen aufhebt. „Das war sehr über­raschend, schließlich ging man bis dahin davon aus, dass auch der Hall-Effekt durch diese gegen­sätz­lichen Momente kompensiert wird“, erläutert Libor Šmejkal von der Uni Mainz. „Doch sind die räumlichen Verteilungen der magnetischen Momente in diesem speziellen Material wie Ruthenium­oxid nicht sphärisch, sondern hantel­förmig. Daher können sie einen anormalen Hall-Effekt hervor­rufen, der über­raschender­weise sehr stark ist.“

Kürzlich ist es dem Forscherteam gelungen, diese Vorhersage experimentell zu verifizieren. „Unsere Forschungs­partner konnten etwa zehn Nanometer dünne Schichten aus Ruthenium­oxid herstellen – mit zwei verschiedenen Kristall­gitter-Orientie­rungen. Eine Orientierung sollte laut den theoretischen Vorhersagen keinen Hall-Effekt, die andere einen großen anormalen Hall-Effekt zeigen“, sagt Šmejkal. Genau das konnte im Experiment bestätigt werden.

Während sich bei der einen Orientierung nur der lineare Hall-Effekt zeigte, der durch die Lorenzkraft hervor­gerufen wird, trat im anderem der unkonven­tionelle Hall-Effekt auf. „Äußerst interessant ist das aus zwei Gründen: Zum einen ist es das erste lineare System, in dem sich Elektronen auch ohne eine Magneti­sierung verlustfrei übertragen lassen. Stattdessen handelt es sich um einen einfachen Magneten mit zwei Subgitter­strukturen – eine Eigenheit, die viele Materialien aufweisen. Zweitens bestätigen diese Daten unsere Theorie des Alter­magnetismus“, sagt Šmejkal. Diese Theorie haben die Forscher im vergangenen Jahr vorgestellt.

JGU Mainz / RK

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