07.06.2021

Neuer Rover für die Langstrecke

SherpaTT legt eine Strecke von 500 Metern in weniger als drei Stunden autonom zurück.

Wenn der Nasa-Rover „Perse­verance“ und der chinesische Rover „Zhurong“ dieser Tage über die Mars­oberfläche fahren, treffen sie grundlegende Entscheidungen ohne menschliche Hilfe. Um die autonomen Fähig­keiten zukünftiger Weltraum­roboter weiter zu verbessern und die euro­päischen Bestre­bungen auf diesem Gebiet voranzutreiben, förderte die Europäische Union das Projekt ADE, das vor Kurzem seinen Abschluss bei Wulsbüttel nahe Bremen fand. Dort gelang es dem Rover „SherpaTT“ des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) dank der erfolgreichen Zusammen­arbeit 13 europäischer Partner, eine Strecke von 500 Metern in weniger als drei Stunden autonom zurückzulegen.

Abb.: DFKI-Rover SherpaTT überquert unebenes Gelände in der Sandgrube bei...
Abb.: DFKI-Rover SherpaTT überquert unebenes Gelände in der Sandgrube bei Wulsbüttel nahe Bremen. (Bild: A. Popp, DFKI)

Roboter, die fremde Planeten wie den Mars erforschen oder auf der Mondober­fläche Proben einsammeln, sollten im Idealfall so eigenständig wie möglich arbeiten. Hierzu zählen neben der autonomen Navigation auch das selbst­ständige Erkennen und Untersuchen von wissen­schaftlich interessanten Stellen. Der Mensch kann aufgrund der verzögerten Kommuni­kation zu fernen Himmelskörpern nur bedingt in die robotischen Missionen eingreifen. Daher müssen die Systeme nur auf Basis ihrer Sensor­daten sowie niedrig aufgelöster Satelliten­informationen über die planetare Oberfläche manövrieren und dabei selbst entscheiden können, wann es sich lohnt einen Umweg einzuschlagen, um beispielsweise Gesteins­formationen näher zu unter­suchen. 

Ziel des im Februar 2019 gestarteten Projekts ADE – Autonomous DEcision Making in very long traverses – war es, die Autonomie­fähigkeit und Zuverlässigkeit von Weltraum­robotern insbesondere bei Langstrecken­missionen zu steigern. Nach mehr als zwei Jahren Forschungs­arbeit endete das Vorhaben in einer Sandgrube bei Wulsbüttel nördlich von Bremen. Bei den finalen Feldtests vom 18. März bis zum 16. April 2021 gelang es dem hybriden Schreit- und Fahr-Rover SherpaTT des DFKI Robotics Innovation Center, mithilfe der in ADE entwickelten Techno­logien insgesamt 3,7 Kilometer autonom zurückzulegen und verschiedene Operationen mit unter­schiedlichen Autonomie­graden durchführen. 

ADE basiert auf dem in der ersten Phase des SRC entwickelten Autonomie­system ERGO – European Robotics Goal-Oriented Autonomous Controller. Dieses ermöglicht es einem Rover mit vorge­gebenem Ziel, die zur Erreichung des Ziels notwendigen Aktionen zu planen, auszuführen und zu überwachen. Ein „Oppor­tunistic Science Agent“ erkennt vielver­sprechende Merkmale in der Umgebung und meldet diese an das System. Der so entstehende Zielkonflikt wird von der aus den SRC-Vorgänger­projekten hervor­gegangenen und für das Projekt zentralen Komponente ADAM – Autonomous Decision Making Module – gelöst: Unter Berück­sichtigung der vorhan­denen Ressourcen, systembedingter Einschränkungen sowie zeitlicher Vorgaben nimmt ADAM lokale Änderungen der Missions­planung vor. Diese erlauben es dem Roboter, zu der von ihm identi­fizierten Stelle zu navigieren, um sie aus der Nähe untersuchen zu können.

Als robotische Test­plattform diente der Rover SherpaTT vom Robotics Innovation Center. Dank seines aktiven Fahrwerks, das ihn sowohl auf Rädern fahren als auch mit seinen vier Extremitäten über Hinder­nisse schreiten lässt, eignet sich der etwa 150 Kilogramm schwere Roboter besonders gut für unwegsames Gelände. Zudem verfügt er über einen etwa zwei Meter langen, zentral angebrachten Roboterarm, der es ihm ermöglicht, Bodenproben zu entnehmen. Neben der Bereitstellung des Roversystems gehörte es zu den Aufgaben des Bremer DFKI-Forschungs­bereichs, eine Missions­simulation zu entwickeln, die aus den an die Bodenstation geschickten Sensordaten ein Simulations­modell erstellt, das den aktuellen Stand der Mission abbildet. Innerhalb dieses Modells können verschiedene Pfade und Roboter-Konfi­gurationen getestet werden: Steht der Rover beispielsweise vor einer engen Passage, können verschiedene Fahrwerks­konfigurationen zunächst in der Simulation ausprobiert werden, bevor die erfolgver­sprechendste Lösung an den Roboter zurück­gesendet wird. 

Die von den Partner­instituten entwickelte Software wurde zunächst in einem knapp 50 Qaudratmeter großen Indoor-Sandkasten in der Weltraum­explorations­halle des DFKI in Bremen getestet. Anschließend sollten die Technologien auch außerhalb des Labors in einer mars­ähnlichen Umgebung auf die Probe gestellt werden. Im Vorgänger­projekt absolvierte SherpaTT eine autonome Langstrecken­mission in der marokkanischen Wüsten­landschaft, nachdem er bereits 2016 im US-Bundestaat Utah gemeinsam mit weiteren DFKI-Robotern seine Teamfähigkeit im Rahmen einer Probenrück­führungsmission unter Beweis gestellt hatte. Dieses Mal mussten die ursprüng­lich auf dem spanischen Festland und der Kanaren­insel Fuerteventura geplanten Feldtests aufgrund der pandemie­bedingten Reise­beschränkungen in den Norden Deutschlands verlegt werden.

So kam es, dass SherpaTT im Herbst 2020 die ehemalige Bremer Galopprennbahn erkundete und sich im März und April 2021 seinen Weg durch die Sandgrube nahe Wulsbüttel bahnte. Bei den finalen Tests wurde die Roboter­technologie fünf Wochen lang unter typisch norddeutschen Wetter­bedingungen verschiedenen Härtetests unterzogen, wobei die DFKI-Wissenschaftler vor Ort und die Partner via Remote­verbindung zugeschaltet waren. Auf diese Weise konnten sie u.a. die autonome Navigation, das Sammeln und Ablegen von Proben mit dem Roboterarm, die automatische ziel­orientierte Missions­planung sowie die Möglichkeit der wissen­schaftlichen Ad-hoc-Zielerfassung erfolgreich testen und gleichzeitig wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet der Teleoperation für zukünftige Weltraum­missionen sammeln.

Die im Rahmen von ADE entwickelten Techno­logien sind auf die Anforderungen zukünftiger Rover für die Weltraum­forschung ausgelegt. Ihr zielorientiertes Autonomiesystem kann jedoch auch auf Robotern Anwendung finden, die in rauen und gefährlichen Umgebungen auf der Erde arbeiten, etwa in Kernkraft­werken, bei Rettungs­einsätzen oder in der Öl- und Gasindustrie. Für das DFKI und seinen Rover SherpaTT geht der Einsatz für die euro­päische Raumfahrt weiter: In der dritten und letzten Förderphase des SRC leitet das Robotics Innovation Center das im März 2021 gestartete Projekt CoRoB-X, in dem es gemeinsam mit europäischen Partnern erforscht, wie ein Team aus mehreren Robotern bei der Erkundung von Lavahöhlen auf dem Mond kooperieren kann.

DFKI / JOL

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