Nukleare Abrüstung ist dringender denn je
DPG: Aktuelle Ausgabe von Physikkonkret über die Gefahr eines Nuklearkriegs.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und -begrenzung sind Kernaufgaben der Friedenssicherung. Die Rüstungskontrolle bleibt daher eine Überlebensfrage für die Menschheit. Deswegen arbeiten Physikerinnen und Physiker der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) beispielsweise an Verifikationsmethoden, die belegen, dass Abrüstungsverträge eingehalten werden und ob jemand gegen das Verbot von Nukleartests verstößt. Sie hoffen so, die Büchse der Pandora, die sie einst mit geöffnet haben, wieder verschließen zu können und die Gefahr eines Nuklearkrieges auf ein Minimum zu reduzieren. Dieses wichtige Thema steht im Mittelpunkt der aktuellen Ausgabe von Physikkonkret der DPG.
Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe hat sich nach Ende des Ost-West-Konfliktes zwar erheblich verringert, aber der Einsatz von Nuklearwaffen ist als globale Gefahr geblieben. Ein Nuklearwaffeneinsatz aus Versehen ist heute daher ebenso wenig ausgeschlossen wie ein beabsichtigter Einsatz. Würde auch nur ein Prozent des bestehenden militärischen Nukleararsenals zum Einsatz kommen, hätte dies neben den unmittelbaren katastrophalen Konsequenzen wegen des Ausbruchs eines „nuklearen Winters“ auch unabsehbare Folgen für das globale Klima und wegen der damit zusammenhängenden Ernteausfälle auf Ernährung und Lieferketten.
Neue technologische Entwicklungen im Bereich Quantentechnologien, Laserphysik, künstliche Intelligenz oder Materialwissenschaften sowie der Verlust von Rüstungskontrollregelungen heizen das Wettrüsten derzeit zusätzlich an. Zudem bleibt die Gefahr des Nuklearterrorismus bestehen.
In der DPG bearbeitet die Arbeitsgruppe Physik und Abrüstung Fragen der nuklearen Rüstungskontrolle und Abrüstung. Deren Mitglieder forschen etwa zu Problemen der Risikofolgenabschätzung, der Verifikation von Abrüstungsverträgen und zur Nichtverbreitung nuklearer Waffensysteme und -materialien. Mit Hilfe neuer Messmethoden für Radionuklide, mit Detektoren für Infra- und Hydroschall und mit seismischen Instrumenten lassen sich beispielsweise Verstöße gegen das Verbot von Nukleartests aufdecken.
Physikerinnen und Physiker arbeiten ferner daran, Verifikationsmessungen vorzunehmen, beispielsweise ob ein deklarierter Sprengkopf, der abgerüstet wurde, nicht in Wirklichkeit eine Attrappe ist. Solche Authentifizierungen lassen sich mittels Messung von Gammaspektren sowie von Neutronen an den zerlegten Komponenten durchführen. Eine Herausforderung besteht allerdings darin, die nuklearen Sprengköpfe zu authentifizieren und zu zerlegen, ohne dass proliferationsrelevantes Wissen verraten oder weitergegeben wird. Dabei nutzen die Abrüstungskontrolleure kryptographische Verfahren sowie die „Zero-Knowledge“-Verifikation, bei denen eine Partei die andere stichhaltig und nachvollziehbar von der Tatsache überzeugen kann, dass eine Kernwaffe authentisch ist, ohne dabei jegliche Informationen über die Waffe oder deren Design zu offenbaren.
Mit diesen und weiteren Maßnahmen und Aktivitäten hoffen die Physikerinnen und Physiker, die Büchse der Pandora, die sie einst mit geöffnet haben, wieder verschließen zu können und die Gefahr eines Nuklearkrieges auf ein Minimum zu reduzieren.
DPG / JOL