Opalinuston scheint als Wirtsgestein für Atommüll geeignet
Kernchemiker erforschen die Ausbreitung von radioaktiven Elementen wie Plutonium in natürlichem Tongestein.
Kernchemiker erforschen die Ausbreitung von radioaktiven Elementen wie Plutonium in natürlichem Tongestein.
Mehr als vier Jahre lang haben Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz natürliches Tongestein im Labor untersucht um festzustellen, wie sich die radioaktiven Elemente Plutonium und Neptunium in diesem Gestein verhalten. Als Wirtsgestein für ein nukleares Endlager kommen grundsätzlich außer Salzstöcken und Granitformationen auch Tongesteine in Frage. Wie die Analysen der Kernchemiker um Tobias Reich bestätigen, besitzt natürlicher Ton günstige Eigenschaften, die einer Ausbreitung radioaktiver Stoffe entgegenwirken. „Der Ton scheint als Wirtsgestein geeignet zu sein, wobei noch Langzeitsicherheitsanalysen erforderlich sind“, fasst Reich die Ergebnisse zusammen. Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten, bundesweiten Projekts zur Endlagerung radioaktiver Abfälle.
Abb.: Zwei Diffusionszellen, in denen die Tonzylinder eingebaut sind, Fläschchen mit Porenwasser, in dem Neptunium bzw. Plutonium gelöst ist, sowie im Hintergrund eine peristaltische Pumpe (Bild: Institut für Kernchemie, Universität Mainz)
Die für die Untersuchungen benutzten Zylinder aus Ton haben einen weiten Weg hinter sich: Vom Felslabor Mont Terri im Schweizer Juragebirge werden Bohrkerne mit Opalinuston entnommen – eine Gesteinsformation, die vor rund 180 Millionen Jahren abgelagert wurde. Opalinuston ist in der Schweiz als mögliches Wirtsgestein für ein Atommüllendlager in der Diskussion. Die Bohrkerne kommen zur Herstellung von kleinen, elf Millimeter dicken, runden Scheiben zunächst nach Karlsruhe an das Institut für Nukleare Entsorgung. Am Institut für Kernchemie in Mainz werden diese Tonscheiben dann in Diffusionszellen gepackt und mit Porenwasser in Kontakt gebracht, das radioaktives Neptunium oder Plutonium enthält. Andere Tonproben wiederum kommen in Reagenzgläser, werden aufgeschlämmt, geschüttelt, zentrifugiert und anschließend mit hoch empfindlichen Massenspektrometern untersucht, um die Sorptionseigenschaften von Ton zu studieren. Und sie werden zu den Teilchenbeschleunigern nach Grenoble, Karlsruhe oder ins schweizerische Villigen (PSI) gebracht, wo 0,0015 Millimeter feine Synchrotronstrahlen den mit Radioelementen versetzten Ton sezieren. „Dadurch bekommen wir extrem hochaufgelöste Infos über die Verteilung der Elemente und sehen, wo und wie sie gebunden sind“, sagt Reich.
Die Schüttelversuche zeigen, dass im Falle von radioaktivem Plutonium der Oxidationsstufe vier eine fast 100-prozentige Adsorption an dem Opalinuston erfolgt, während kaum noch Plutonium in der Lösung verbleibt. Bei Neptunium der Oxidationsstufe fünf beträgt das Verhältnis 60 zu 40. Wird Neptunium aber beispielsweise durch Eisenmineralien im Ton zu Neptunium-vier reduziert, erfolgt ebenfalls eine fast vollständige Bindung an Ton. Diffusionsversuche mit „radioaktivem“ Wasser zeigen, dass Wasser innerhalb einer Woche durch den 1,1 Zentimeter dicken Tonzylinder diffundiert. Neptunium kommt dagegen kaum vorwärts und wird auch noch nach einem Monat fast am Anfang des Weges gefunden.
Millimeterfeine Aufschnitte der kleinen Tonscheiben zeigen auch das chemische Verhalten der radioaktiven Elemente bei ihrem Weg durch das Gestein: Sechswertiges Plutonium wird auf dem Weg durch den Tonzylinder reduziert und tritt als vierwertiges Plutonium in Erscheinung. „Das ist von Vorteil, weil vierwertiges Plutonium an der Stelle sitzen bleibt.“ Reich und seine Arbeitsgruppe haben auch erkannt, wer für die Bindung der radioaktiven Stoffe zuständig ist: nämlich überwiegend die Tonminerale und nur in geringem Umfang auch Eisenmineralien, die für die Reduktion verantwortlich zeichnen.
Opalinuston, wie er nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Süden Deutschlands vorkommt, scheint also für weitere Untersuchungen über das Ausbreitungsverhalten von langlebigen Radionukliden – bei Neptunium beträgt die Halbwertszeit 2,14 Millionen Jahre – geeignet zu sein. „Wir haben nun das Instrumentarium entwickelt und die wichtigsten Prozesse festgelegt“, beschreibt Reich die abgeschlossenen Arbeiten am Opalinuston. Als nächstes wird seine Arbeitsgruppe in den kommenden drei Jahren die Eigenschaften von Ton mit höheren Salzgehalten erforschen.
Johannes Gutenberg-Universität Mainz / AL