Per Laser-Untersuchung Alzheimer an der Netzhaut erkennen
Erkrankte und gesunde Netzhaut unterscheiden sich im spektralen Fingerabdruck.
Alzheimer an den Augen erkennen, lange bevor die unheilbare Erkrankung ausbricht: Diesem Ziel ist ein europäisches Forschungsteam jetzt einen Schritt näher gekommen. Mithilfe eines laserbasierten Verfahrens gelingt es den Forschern, eine an Alzheimer erkrankte Netzhaut von einer gesunden anhand ihres spektralen Fingerabdrucks zu unterscheiden. Damit ließen sich Anzeichen für eine entstehende Alzheimer-Erkrankung bereits deutlich früher nachweisen, als es mit derzeitigen Methoden möglich ist.
„Feinste biochemische Modifikationen finden vermutlich bereits statt, bevor sie sich auf der Netzhaut zeigen“, erläutern Clara Stiebing und Izabella Jahn vom Leibniz-Institut für photonische Technologien in Jena. Während sich morphologische Veränderungen der Netzhautschichten mit der gängigen optischen Kohärenztomographie, kurz OCT, in vivo diagnostizieren lassen, können Abweichungen in der biochemischen Zusammensetzung so jedoch nicht erkannt werden. „Hier liefert die ramanspektroskopische Untersuchung einen entscheidenden Beitrag, um die Genauigkeit der Diagnose zu verbessern“, so Jürgen Popp vom Leibniz-IPHT.
Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien und Partnern aus den Niederlanden entwickelt das Team vom Leibniz-IPHT eine neuartige Diagnoseplattform für altersbedingte Augenkrankheiten und Alzheimer. Sie kombiniert Raman-Spektroskopie mit der OCT. Ob spezifische Biomarker für eine Alzheimer-Erkrankung nichtinvasiv in der Netzhaut nachgewiesen werden können, ist in der Forschung umstritten. Indem die Forscher erstmals spektroskopische Methoden zur Unterscheidung von gesunden und kranken Proben verwendet haben, zeigen sie nun einen neuen Weg auf, um eine Alzheimer-Erkrankung an der Netzhaut zu erkennen.
„Wir haben zwei definierte Mausmodelle biochemisch charakterisiert“, berichtet Stiebing. Dabei gelang es, die einzelnen Schichten der Netzhaut anhand von Querschnitten über ihren unterschiedlichen Gehalt an Nukleinsäuren, Rhodopsin, Lipiden und Proteinen biochemisch zu identifizieren. Anhand von Frontalaufnahmen — die der angestrebten In-vivo-Anwendung näher kommen — konnten sie gesunde und kranke Maus-Retinas mit einer Genauigkeit von 86 Prozent unterscheiden. Deutliche Anhäufungen amyloider Plaques konnten weder in den Querschnitten noch in den Frontalaufnahmen gefunden werden.
Dass spektroskopische Untersuchungen der Netzhaut — ein Augenscan per Laserlicht — theoretisch möglich sind und wertvolle Hinweise auf Krankheiten liefern können, hatte das Forschungsteam des Leibniz-IPHT bereits in einer früheren Studie gezeigt. Man müsse vorsichtig sein, Ergebnisse aus Messungen an Mäusen auch auf den Menschen zu verallgemeinern, betont Rainer Leitgeb von der Medizinischen Universität Wien, der das Projekt koordiniert: „Die neuen Ergebnisse bestärken uns jedoch in unserem konkreten Ziel, auch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer durch einen einfachen Augenscan erkennen zu können.“
Auch ohne die bisher angenommenen Ablagerungen von amyloiden Plaques gibt es Veränderungen der Netzhaut, welche potenziell durch die Raman-Spektroskopie erkannt werden könnten. Damit hätte man ein objektives und vergleichbares diagnostisches Merkmal, welches auch für die Entwicklung von Medikamenten von großer Wichtigkeit wäre. Wie spezifisch diese Veränderungen wirklich sind, müssen die angestrebten Studien am Menschen zeigen.
Partner der Medizinischen Universität Wien bauen nun ein Gerät, das die Raman-Spektroskopie mit der optischen Kohärenztomografie kombiniert. Die medizinische Zulassung solle im kommenden Monat abgeschlossen sein, so Leitgeb. Sobald sie erfolgt ist, kann das Gerät an ersten Patienten getestet werden. Die können sich dann davor setzen, ihr Auge berührungsfrei abrastern lassen und wenige Minuten später eine verlässliche Diagnose erhalten.
LIPHT / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Stiebing et al.: Biochemical Characterization of Mouse Retina of an Alzheimer’s Disease Model by Raman Spectroscopy, ACS Chem. Neurosci. 11, 3301 (2020); DOI: 10.1021/acschemneuro.0c00420 - Spektroskopie/Bildgebung (J. Popp), Leibniz-Institut für photonische Technologien, Jena
- Zentrum für medizinische Physik und biomedizinische Technik (R. Leitgeb), Medizinische Universität Wien, Österreich