Fliegt ein Flugzeug schneller als der Schall, bildet sich ein Mach-Kegel aus komprimierten Schallwellen aus. Einen analogen Effekt für Lichtwellen konnten nun Jinyang Liang und seine Kollegen von der Washington University in St. Louis sichtbar machen. Erstmals filmten sie mit einer speziellen Hochgeschwindigkeitskamera einen photonischen Mach-Kegel aus gestreuten Lichtwellen mit bis zu 100 Milliarden Bildern pro Sekunde. Die Aufnahmetechnik könnte in Zukunft auch für die Analyse extrem schneller biologischer Prozesse wie etwa dem Signalfeuer von Neuronen genutzt werden.
Abb.: Mit diesem Aufbau gelang die Aufnahme eines photonischen Mach-Kegels mit 100 Milliarden Bildern pro Sekunde. (Bild: J. Liang & L. V. Wang)
„Einen photonischen Mach-Kegel zu filmen war bisher eine enorme Herausforderung, da eine entsprechende Aufnahmetechnik fehlte“, sagt Liang. Doch mit einer modifizierten Streak-Kamera und einem ausgeklügelten Versuchsaufbau gelang ihm genau dieses Kunststück. Dazu lenkte er gemeinsam mit seinen Kollegen einen nur sieben Picosekunden kurzen grünen Lichtpuls eines Lasers durch einen speziellen, wenige Millimeter langen Lichtkanal. Dieser bestand aus einem kleinen Tunnel, der mit einem Nebel aus Trockeneis gefüllt war, um das grüne Laserlicht sichtbar zu machen. Vor und hinter diesem Tunnel platzierten die Forscher je ein Stück transparentes Silikongummi mit eingelagerten Streukörpern aus Aluminiumoxid.
Mit dieser Kombination aus einem optisch dünnen Medium – Luft mit Trockeneisnebel – und einem Medium mit deutlich größerem Brechnungsindex – Silikongummi – beeinflussten die Forscher die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Lichtwellen. So bewegte sich der grüne Laserpuls im Tunnel mit dem Trockeneisnebel schneller als die an den Aluminiumoxid-Partikeln gestreuten Lichtwellen. Die Folge: Die Streulichtwellen wurden vor dem schnelleren Laserpuls komprimiert und ein photonischer Mach-Kegel mit leuchtenden Kanten entstand. Der Öffnungswinkel dieses Kegels lag bei etwa 45 Grad und entsprach den parallel durchgeführten Simulationsrechnungen für diesen Effekt.
Abb.: Illustration eines photonischen Mach-Kegels. Dieser bildet sich aus, wenn sich ein Laserpuls schneller bewegt als die von ihm erzeugten Streulichtwellen. (Bild: J. Liang & L. V. Wang)
Für die Aufnahme des photonischen Mach-Kegels war die Anordnung der insgesamt drei Detektoren von großer Bedeutung. Mit einer Streak-Kamera nahmen die Forscher einen Schnappschuss der Lichtwellen mit einer Picosekunden-Belichtungszeit auf. Diese einzelne Aufnahme enthielt jedoch deutlich mehr Daten über den gesamten Ablauf des Mach-Kegel-Phänomens. Zwei weitere CCD-Detektoren nahmen das Ereignis aus anderen Blickwinkeln auf und lieferten darüber die Zeitstruktur der Hauptaufnahme. Damit konnten die Forscher im Computer über einen komplexen Algorithmus das ursprüngliche Bild in viele zeitlich aufeinander folgende Teilbilder zerlegen. Ergebnis dieser Berechnungen war eine Videosequenz des photonischen Mach-Kegels mit 100 Milliarden Bildern pro Sekunde.
Die Filmaufnahme eines photonischen Mach-Kegels steltt zweifelsfrei eine grundlegende physikalische Messung dar. Doch für ein bildgebendes Verfahren mit einer derart hohen zeitlichen Auflösung haben Liang und seine Kollegen auch konkrete Anwendungen im Blick. Sie schlagen vor, die Aufnahmemethode für detaillierte biomedizinische Analysen zu nutzen. Schon heute eröffnet gestreutes Licht Medizinern einen genauen Blick auf Gewebe oder den Blutfluss in einem Körper. Mit der modifizierten Streak-Kamera könnten aber noch schnellere Prozesse wie etwa das Feuern von Nervenpulsen von Neuronen in Echtzeit gefilmt werden.
Abb.: Photonischer Mach-Kegel aus gestreuten Lichtwellen. (Bild: J. Liang & L. V. Wang)
Auch heute lässt sich mit der Kurzzeit-Spektroskopie und Pump-Probe-Messungen die Dynamik von schnellen Prozessen aufzeichnen. Doch sind dazu meist wiederholte Aufnahmen eines möglichst identischen Vorgangs unter konstanten Randbedingungen nötig. Liang betont daher, dass sein Video eines photonischen Mach-Kegels auf nur einem einzigen Schnappschuss beruht, dessen enthaltene Zeitstruktur im Nachhinein berechnet werden kann.
Jan Oliver Löfken
RK