Physik-Nobelpreis: Von optischen Pinzetten und hochintensiven Laserpulsen
Der diesjährige Physik-Nobelpreis geht zur Hälfte an Arthur Ashkin und je einem Viertel an Gérard Mourou und Donna Strickland für bahnbrechende Erfindungen in der Laserphysik.
Der diesjährige Physik-Nobelpreis wird einmal mehr ganz im Sinne des Stifters Alfred Nobel vergeben, nämlich für Erfindungen zum größten Nutzen der Menschheit. Denn in diesem Jahr zeichnet der Physik-Nobelpreis Erfindungen auf dem Gebiet der Laserphysik aus, die beispielsweise die Laserchirurgie ermöglicht haben, von der jedes Jahr Millionen von Menschen profitieren. Eine Hälfte des Preises geht an Arthur Ashkin für die Entwicklung der optischen Pinzette. Die andere Hälfte teilen sich Gérard Mourou und Donna Strickland für die Entwicklung einer Methode, um hochintensive, ultrakurze Laserpulse zu erzeugen.
Die Physik bricht damit in diesem Jahr einen Altersrekord: Mit 96 Jahren ist Arthur Ashkin der bislang älteste Preisträger, der aber laut eigener Aussage für Interviews derzeit nicht zur Verfügung steht, weil er mit einer aktuellen Veröffentlichung beschäftigt sei. Bemerkenswert ist zudem, dass Donna Strickland in der über hundertjährigen Geschichte des Nobelpreises nach Marie Curie (1903) und Maria Goeppert-Mayer (1963) erst die dritte Frau ist, die in der Physik ausgezeichnet wird.
Die Arbeiten, die in diesem Jahr gewürdigt werden, lassen extrem kleine Objekte und ultraschnelle Prozesse in neuem Licht erscheinen – und haben in Physik, Chemie, Biologie und Medizin neuartige Präzisionsinstrumente für die Grundlagenforschung, aber auch zahlreiche praktische Anwendungen erlaubt. Direkt nach der Erfindung des Lasers im Jahr 1960 begann Arthur Ashkin an den Bell Laboratories, mit dem Laser zu experimentieren. Schnell erkannte er, dass der Laser sich hervorragend dazu eignet, um kleine Objekte festzuhalten und zu bewegen – ganz wie es der Traktorstrahl in der Serie „Star Trek“ schafft. Bald gelang es ihm, transparente Kugeln zu bewegen, die stets in die Mitte des Laserstrahls gezogen werden. Um die Teilchen in Richtung des Lasers halten zu können, nutzte Ashkin eine starke Linse, die das Laserlicht fokussiert. Die Teilchen werden dann in den Punkt mit der höchsten Lichtintensität gezogen – dies war die Geburtsstunde der optischen Pinzette.
Nach einigen Jahren intensiver Forschung war es mit der optischen Pinzette möglich, einzelne Atome zu fangen – der Durchbruch erfolgte 1986 in Kombination mit einer Methode, um die Atome abzubremsen und ihre Wärmebewegung zu reduzieren. Währenddessen entdeckte Arthur Ashkin ein neues Anwendungsgebiet für seine Methode, nämlich biologische Systeme, also Bakterien, Viren oder auch lebende Zellen. Die optische Pinzette erlaubt es beispielsweise, die mechanischen Eigenschaften molekularer Motoren zu untersuchen. In den letzten Jahren haben zahlreiche Forscherinnen und Forscher die Methode weiterentwickelt, um kleine Objekte zu beobachten, umzudrehen oder zu schneiden, ohne sie dabei zu berühren. Eine der neuesten Entwicklungen ist die optische Holographie, in der tausende Pinzetten gleichzeitig arbeiten, um beispielsweise kranke Blutzellen von gesunden zu trennen – was für den Kampf gegen Malaria nützlich werden könnte.
Die zweite Hälfte des Nobelpreises würdigt die Erzeugung hochintensiver, ultrakurzer Laserpulse – eine Arbeit, welche die damalige Doktorandin Donna Strickland mit ihrem Doktorvater Gérard Mourou im Jahr 1985 veröffentlichte. Es war Stricklands erstes wissenschaftliches Paper. Schon seit Erfindung des Lasers hatten Forscherinnen und Forscher versucht, Pulse mit immer höheren Intensitäten zu erzeugen. Als die höhere Intensität aber zur Zerstörung des Verstärkermaterials führte, erfanden Strickland und Mourou die sog. Chirped Pulse Amplification (CPA): Dabei werden kurze Laserpulse zeitlich gestreckt (also in der Intensität verringert), verstärkt und wieder komprimiert – die Intensität pro Laserpuls erhöht sich dadurch dramatisch. Diese Methode ist heute Standard für alle Hochintensitätslaser.
Hochintensive, ultrakurze Laserpulse haben zahlreiche Anwendungen: Sie erlauben es, ultrakurze Prozesse abzubilden, die Eigenschaften von Materie zu verändern oder Löcher in verschiedene Materialien zu bohren – auch in lebendes Gewebe. So lassen sich damit unter anderem chirurgische Stents erzeugen, um Blutgefäße zu weiten. Noch längst sind aber nicht alle Anwendungsgebiete erschlossen, ein noch recht junges Forschungsgebiet ist die Attosekundenphysik, in der Attosekunden-Laserpulse Elektronen bei der chemischen Bindung beobachten oder gar beeinflussen können.
Schnellere Elektronik, effizientere Solarzellen, leistungsstärkere Beschleuniger oder gar Designer-Pharmazeutika sind weitere mögliche Anwendungen. Gérard Mourou ist einer der Initiatoren der Extreme Light Infrastructure (ELI), in deren Rahmen in Tschechien, Ungarn und Rumänien derzeit drei Forschungsinstitute entstehen, um Laserleistungen von 10 Petawatt zu erzeugen und zu nutzen. Weitere, noch leistungsstärkere Anlagen sind in China, Japan, den USA und Russland geplant.
Verliehen wird der Physik-Nobelpreis traditionell an Alfred Nobels Todestag, dem 10. Dezember.
Maike Pfalz
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