Pixel-Chips suchen Higgs-Boson
Speziell entwickelte höchst sensible Digitalkameras sollen bei der Suche nach dem Higgs-Boson eine zentrale Rolle spielen.
Speziell entwickelte höchst sensible Digitalkameras sollen bei der Suche nach dem Higgs-Boson eine zentrale Rolle spielen.
Der Countdown läuft. In einem Jahr soll der neue Ringbeschleuniger des CERN in Genf seinen Betrieb aufnehmen. Dann kommt auch ein neuartiger Detektor mit 50 Millionen Pixel zu seinem ersten Einsatz. Die Idee, diese winzigen Halbleiterelemente auf Siliziumchips anzuordnen und als Teilchendetektor zu verwenden, wurde am Paul Scherrer Institut (PSI) entwickelt und umgesetzt. Dort lief vor kurzem die Produktion von 720 Detektormodulen an, die bei der Suche nach dem mysteriösen Higgs-Teilchen eine zentrale Rolle spielen werden.
Vor 12 Jahren begannen Physiker am PSI ein neues Detektorkonzept zu entwickeln. Jetzt wollen sie damit weltweit erstmalig mit einem Pixelsensor Spuren von Teilchen verfolgen. „Damals galt das selbst unter Experten als futuristisch“, erinnert sich Roland Horisberger, Leiter des Pixel-Chips-Projekts. Dann baute das PSI ein Pixel-Kompetenzzentrum auf, zu dem auch Fachleute der Universitäten Basel und Zürich sowie der ETH Zürich gehören. Heute bilden diese Pixel-Chips das Herzstück einer 22 Meter langen zylindrischen Apparatur, die endlich das meistgesuchte aller Teilchen finden soll: das Higgs-Boson. Seine Entdeckung würde eine Kernfrage der Physik beantworten: Wie kommen die Elementarteilchen zu ihrer Masse?
An der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN wird dazu ein neuer Ringbeschleuniger, der Large Hadron Collider (LHC), Protonen millionenfach auf Kollisionskurs bringen. Bei jedem Frontalzusammenstoß entstehen etwa tausend Teilchen, die wie Trümmer einer Explosion auseinander schießen. Sie zu verfolgen ist die große Herausforderung, denn unter ihnen könnten sich Spuren des seltenen Higgs verbergen. In zylindrischen Schalen mit Durchmessern bis zu 15 Metern umgeben verschiedene Detektoren den Bereich, in dem die Protonen zusammenstoßen. Teilchen, die dort entstehen, treffen schon nach vier Zentimetern auf die erste von drei Schalen mit Siliziumsensoren aus dem PSI. Ihr feinmaschiges Netz aus insgesamt etwa 50 Millionen Pixel, jedes ein Zehntelmillimeter groß, misst die ersten Punkte der Spuren.
Pixel registrieren nicht nur Ort und Zeit eines Teilchendurchgangs, sie verarbeiten lokal auch Daten. Dazu liegen direkt über den 4160 Pixel eines Sensorchips ebenso viele Mikrocomputer. Mit diesem Konzept hat sich das PSI an der Weltspitze im Design von Sensorchips etabliert. Den Kontakt zwischen Pixel und Mikrocomputer stellt ein 18 Tausendstelmillimeter großes Lotkügelchen aus Indium her, einem leicht schmelzenden Metall. Mikro-Bump-Bonding heißt dieses von der Industrie übernommene Verfahren, das am PSI wesentlich miniaturisiert wurde. Die Pixel-Chips bilden so eine höchst sensible Digitalkamera für Teilchen oder Strahlung. Bereits wurde ein Spin-off des PSI gegründet, das diese Technologie für anspruchsvolle Röntgendetektoren beispielsweise in Synchrotronlichtquellen anbietet.
Abb.: Mikro-Bump-Bonding: Den Kontakt zwischen Pixel und Mikrocomputer stellt auf dem Sensorchip ein 18 Tausendstelmillimeter großes Lotkügelchen aus Indium her, einem leicht schmelzenden Metall. Diese von der Industrie übernommene Methode wurde am PSI noch weiter miniaturisiert. Im Mikroskopbild sind Pixel (ca. 1 Zehntelmillimeter groß) mit den Indium-Kügelchen (dunkel) zu sehen. (Quelle: PSI)
Durch seine Nähe zur Kollisionsregion ist der Pixel-Detektor am CERN einem enormen Teilchenstrom ausgesetzt. Der PSI-Sensorchip sitzt sozusagen auf dem besten Logenplatz. Fast zweieinhalb Billionen Teilchen rauschen pro Minute durch seine Module und erzeugen dabei eine Datenmenge, die eine Festplatte von 120 Gigabyte füllen würde. Der intensive Dauerbeschuss stellt eine gewaltige Strahlenbelastung dar. Tests am PSI-Protonenbeschleuniger haben aber bewiesen, dass die Funktionsfähigkeit dadurch nicht leidet. Insgesamt werden 720 Detektormodule produziert. Auf jedem von ihnen befinden sich je 16 Sensorchips, die für das Mikro-Bump-Bonding auf ein bis zwei Tausendstelmillimeter genau positioniert werden müssen. Die Komponenten der Fertigungsstraße, die eine solche Präzision beim Bau von vier bis sechs Modulen pro Tag garantieren soll, wurden ebenfalls am PSI entwickelt.
Höchste Genauigkeit wird auch bei der Montage der Module im 12.500 Tonnen schweren CMS-Detektorzylinder am CERN verlangt. „Wir kombinieren hier die Präzision aus der Feinstmechanik der Uhrenindustrie mit Teilen von Größe und Gewicht, wie sie im Schiffsbau vorkommen“, sagt Roland Horisberger. Ein Jahr hat das Team noch Zeit, um die Pixel-Chips zum funktionstüchtigen Detektor zusammenzubauen. Ab Herbst 2007 sollen dann die Pixel am LHC bei der Suche nach dem Higgs auf der Lauer liegen.
Quelle: PSI
Weitere Infos:
- Paul-Scherrer-Institut – PSI:
http://www.psi.ch - CERN:
http://www.cern.ch