18.06.2014

Plasmen, Schmelzen, Seifenblasen

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst absolviert ein umfangreiches Forschungsprogramm an Bord der Internationalen Raumstation, darunter auch ein Schüler-Experiment.

Astronaut Alexander Gersts Terminplan für seinen Aufenthalt auf der ISS ist prall gefüllt. Kurios, was am 20. Juni auf dem Programm steht: An diesem Tag soll er unter anderen mehr als zwei Stunden mit Haarshampoo, einem Strohhalm und Lautsprechern experimentieren. Dahinter verbirgt sich der Gewinnervorschlag der „Aktion 42“, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit der europäischen Weltraumorganisation ESA und der Stiftung Jugend forscht im vergangenen Jahr ausgeschrieben hatte.
 
Zwei Schülergruppen gewannen mit ihrem Vorschlag, die Lebensdauer von Seifenblasen bei Schwerelosigkeit zu untersuchen. Voraussetzung: Das Zubehör für das Experiment musste bereits in der ISS um die Erde kreisen. Und so wird Alexander Gerst überprüfen, ob dort Seifenblasen länger leben und ob sich auch auf der ISS zwei Seifenblasen zu einer einzigen vereinen können. Schließlich wird er noch testen, ob sich mit Technobeats aus einem tragbaren Lautsprecher die Seifenblasen in Schwingung versetzen oder sogar bewegen lassen. Die Aufnahmen, die Alexander Gerst dabei mit fest installierten Kameras von sich und den schwebenden Seifenblasen aufnimmt, werden in den nächsten Tagen zur Erde überspielt werden.

Aber natürlich geht es auf der ISS auch um „ernsthafte“ Forschung. Insgesamt rund 100 Experimente wird der 38 Jahre alte Alexander Gerst, von Hause aus Geophysiker, während der „Blue Dot-Mission“ durchführen. So soll er eine neue Anlage für Experimente mit komplexen Plasmen in Empfang nehmen und im europäischen Columbus-Labor installieren. Die Anlage wird voraussichtlich am 22. Oktober 2014 mit einem russischen Progress-Raumschiff zur ISS gebracht und soll dort für mindestens vier Jahre aktiv sein. 

Komplexe Plasmen kommen beispielsweise in den Saturnringen oder Kometenschweifen vor und bestehen aus einem Niedertemperaturplasma und kleinen Partikeln („Staub“) von einigen Mikrometern Größe. Die Partikel werden in dem Gas elektrostatisch aufgeladen und treten miteinander in Wechselwirkung. Abhängig vom plasmaerzeugenden elektrischen Feld und vom Gasdruck verändert ein komplexes Plasma seine Struktur und verhält sich wie eine Flüssigkeit, ein Gas oder wird bei dreidimensionaler regelmäßiger Anordnung der Partikel zu einem „Plasmakristall“.

Da die Schwerkraft normalerweise die Partikel absinken lässt und das komplexe Plasma staucht, ist ein Plasmakristall auf der Erde auf nur wenige Gitterebenen begrenzt. Nur unter Schwerelosigkeit lassen sich große, homogene 3D-Strukturen ungestört bilden und erforschen. An den ISS-Experimenten sind neben der neugegründeten „Forschergruppe Komplexe Plasmen“ im DLR in Oberpfaffenhofen, Wissenschaftler des Joint Institute for High Temperatures (JIHT) in Moskau und der Universität Gießen beteiligt.

Beim MagVector/MFX-Experiment untersucht Alexander Gerst erstmals detailliert die Wechselwirkung zwischen dem Erdmagnetfeld und einem variablen elektrischen Leiter, der sich mit hoher Geschwindigkeit durch dieses Feld bewegt. Darauf aufbauend könnten sich in Zukunft die Magnetfelder von Sonne und anderen Himmelskörpern für Raumfahrtanwendungen nutzen lassen, etwa für magnetische Schutzschilde, die aufwändige Spezialverkleidungen für Raumfahrzeuge unnötig machen.

Eine weitere Anlage, die Alexander Gerst auf der ISS installieren wird, ist ein neuartiger Hightech-Schmelzofen, der Elektromagnetische Levitator (EML). In diesem Kooperationsprojekt von DLR und ESA schweben die Proben frei im Raum und werden durch ein elektromagnetisches Feld in Position gehalten. Ziel ist es, eine besonders einheitliche Verteilung der Legierungsbestandteile in der Schmelze zu gewährleisten, um etwa genauere Messdaten der thermophysikalischen Eigenschaften von Legierungsschmelzen zu erhalten. Solche Daten dienen wiederum als Eingabeparameter für Computermodelle zum Erstarrungsverhalten oder zu industriellen Gießprozessen von Hightech-Materialien.

Der derzeit wohl exklusivste Arbeitsplatz für einen Physiker ist bei freiem Abendhimmel übrigens mühelos als gleißend heller Punkt auszumachen, der in wenigen Minuten über den Himmel zieht. Auf einer speziellen Seite der NASA kann man die entsprechenden Zeiten und den Verlauf der Bahn für die eigene Region finden.

Alexander Pawlak / DLR

 

 

 

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