Plastisch im Dunkeln, spröde im Hellen
Ohne Licht nimmt die Plastizität von Zinksulfid-Kristallen deutlich zu.
Anorganische, kristalline Halbleiter wie Silizium lassen sich in flexibler Elektronik wegen ihrer Bruchempfindlichkeit nur sehr begrenzt einsetzen. Trotz einer geringeren Beweglichkeit der Elektronen werden hierzu bevorzugt organische Halbleiter genutzt. Doch Zinksulfid-
Abb.: Ein transparenter Zinksulfid-Kristall (links) lässt sich im Dunkeln plastisch zu einem gelblichen Kristall (rechts) verformen. Unter weißem Licht dagegen zerbröselt er bereits bei geringer Druckbelastung (Mitte; Bild: A. Nakamura).
„Der Einfluss völliger Dunkelheit auf die mechanischen Eigenschaften von anorganischen Halbleitern ist noch nie zuvor untersucht worden“, sagt Atsutomo Nakamura vom Materials Design Laboratory der Nagoya University. Genau dieses Verhalten wollte er gemeinsam mit seinen Kollegen systematisch untersuchen. Die Wissenschaftler wählten als Probenmaterial transparente und ein Zentimeter hohe Zinksulfid-
Die Strukturänderungen ihrer Proben analysierten die Forscher mit einem Licht-, einem Transmissionselektronen- und einem Rasterelektronenmikroskop. Unter weißem Licht oder UV-Licht einem Druck von bis zu achtzig Megapascal ausgesetzt, zerbrach der Kristall wie erwartet bereits nach geringer Verformung von wenigen Prozent. Doch im Dunkeln wandelten sich die mechanischen Eigenschaften drastisch und der Kristall reagierte unter einem Druck von bis zu hundert Megapascal mit einer plastischen Verformung von bis zu 45 Prozent. Bei Helligkeit verlor der Kristall diese große Plastizität wieder und zerbröselte.
Abb.: Die Beweglichkeit von Gitterfehlern (Modell und STEM-
Die Ursache für dieses verblüffende Verhalten fanden Nakamura und Kollegen in der Anordnung und Beweglichkeit von Gitterfehlern im Kristall. Unter einer Druckbelastung dissoziierten die Gitterfehler in zwei Teilgruppen. Beide zeigten eine große Beweglichkeit innerhalb des Kristallgitters, so dass sie aneinander vorbeigleiten und einen Kollaps der Kristallstruktur vermeiden konnten. Dieser photoplastische Effekt wirkte sich ebenfalls auf die optischen und elektronischen Eigenschaften des Zinksulfids aus. So verfärbte sich der ohne Druck farblose Kristall bei einer Verformung um 35 Prozent gelb. Parallel schrumpfte die Bandlücke von 3,52 auf 2,96 Elektronenvolt.
DIchtefunktionaltheorie-Berechnungen von idealen Zinksulfid-
Diese Studie zeigt, dass sich die mechanischen Eigenschaften von anorganischen Halbleitern abhängig vom Lichteinfall verändern. In Dunkelheit lassen sich zudem elektronische Eigenschaften abhängig von einer plastischen Verformung variieren. Die Wissenschaftler hoffen, nun gezielt Kristalle mit neuen Eigenschaften über eine kontrollierte Beleuchtung designen zu können. So könnte die Bildung von Gitterfehlern während des Kristallwachstums über eine angepasste Beleuchtung beeinflusst werden. Auch der Einsatz von anorganischen Halbleitern in flexibler Elektronik – eine komplette Lichtabschirmung vorausgesetzt – wäre mit dieser Entdeckung möglich.
Jan Oliver Löfken
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